Fast schon ein Politthriller

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Dass „Strahlentod“ schon der 6. Teil einer Reihe ist, war mir gar nicht bewusst – aber hat die Lektüre dann überhaupt „Sinn“?

Wie der Titel schon ahnen lässt, geht es um das Thema Atom, hier in der Ausprägung Atommüll, genauer gesagt Anti-Atommüllproteste: Während einer Protestaktion fliegt ein Bulli in die Luft, noch dazu anscheinend der von Kommissar Ralph Angersbachs Vater. Der Verdacht, dass die verkohlte Leiche darin sein Vater ist, liegt nahe – ebenso wie der, dass es jemand auf Angersbachs Familie abgesehen haben könnte, weil auch seine Halbschwester attackiert wurde, oder die Fronten zwischen den Lagern der Gegner und Befürworter inzwischen so verhärtet sind, dass sie vor nichts zurückschrecken. Doch als sich ein weiterer Mord ereignet, wird klar, dass der Fall seine Wurzeln in der Vergangenheit haben könnte, als ein Demonstrant wegen Protesten um die Castor-Transporte verdächtig schnell verurteilt wurde.

Angesiedelt ist die Handlung in der hessischen Pampa, wo Atommüllproteste im Zusammenhang mit der Endlagersuche stattfinden. Entsprechend bestehen Teile der Figuren aus (Alt-)Hippies, Umweltaktivisten und den „Gegenpolen“ Unternehmen, Polizei und Politik, sogar der Justiz (allein schon an der Zahl der Parteien kann man das gefühlte Ungleichgewicht ablesen). Als Vertreter der Polizei gehören Angermann und Kaufmann zu den Guten – ganz im Gegensatz zu einigen anderen, bei denen der Filz recht weit zu reichen scheint. Mir ging es ein bisschen viel um das Privatleben der Figuren, das kann aber dem Umstand geschuldet sein, dass ich mich ihnen im Gegensatz zu Lesern, die auch die Vorgängerbände kennen, nicht so verbunden fühle. Wie erwähnt, kannte ich weder die Autoren noch die Reihe um die Ermittler Ralph Angersbach und Sabine Kaufmann, doch mit der in sich geschlossenen Handlung kommt man bis auf diese Abstriche (Privates der Ermittler und die eine oder andere Anspielung, die man evtl. nicht mitbekommt) gut zurecht. Die Verortung in einem an Relevanz vor der Abschaltung von AKW und dem gleichzeitigen Kampf gegen CO2-Werte an Aktualität kaum zu überbietendem Thema wie Atomkraft macht die Geschichte (auch) politisch interessant, umso mehr als die Autoren Daniel Holbe und Ben Tomasson die Verflechtungen der „offiziellen Seite(n)“ mit in den Mittelpunkt der Geschichte stellen. Verflochten sind auch die Handlungsstränge und Erzählperspektiven zwischen Vergangenheit und Gegenwart, sodass bis zum Ende unklar ist, was genau sich abgespielt hat. Insgesamt gibt es aufgerundete 3,5 Sterne für einen spannenden, clever geplotteten Krimi, ja fast schon Politthriller.