Nicht das, was es verspricht aber trotzdem gut.

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mojoh Avatar

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Wer schreibt eigentlich die Klappentexte? Ich habe selten ein Buch mit einer Erwartung an den Inhalt angefangen zu lesen, die sich dann so überhaupt nicht erfüllt hat wie in diesem.
Das hat aber nichts damit zu tun, ob mir das Buch gefallen hat, das hat es nämlich trotzdem, um mein Fazit mal ansatzweise vorweg zu nehmen. Man muss halt nur wissen, dass der Klappentext quasi das Ende des Buches beschreibt und einen völlig anderen Anschein von dem, was große Strecken des Buches behandelt gibt.

Jetzt aber zum Inhalt: Wir lernen ein sehr selbstbewusstes Mädchen kennen und nach einem Zeitsprung sehen wir, dass dieses Mädchen eine ebenso selbständige junge Frau geworden ist, die sich im Brooklyn des ausgehenden 19. Jahrhunderts eine Existenz gemeinsam mit ihrer Mutter aufbaut, mit der sie als Kind aus der Schweiz ausgewandert ist. Auch die Mutter wird als starke Persönlichkeit skizziert, womit wir bei einem Stichwort sind, das einerseits zu Susannas Lebensinhalt – sie ist Malerin und malt vorzugsweise Portraits – andererseits auch zu der mir sehr zusagenden Erzählstil des Autors passt.
Susanna skizziert in ihren Portraits nicht nur die Äußerlichkeiten, sie gibt den Bildern quasi eine Seele, sie skizziert die Persönlichkeit, die Stimmung und das Seelenleben des Portraitierten. Diese Gedanken, die sie und der Erzähler sich zu dieser Art Malerei machen, nimmt sehr viel Raum im Buch ein.
Und Capus ist meiner Ansicht nach ein Meister des skizzierenden Erzählens. Ich habe bei jeder Lektüre seiner Bücher den Eindruck, eigentlich passiert gar nicht viel an Handlung, während doch en passant ein ganzes Leben erzählt wird. Und auch hier wieder hat er sich wie üblich eine reale historische Persönlichkeit ausgesucht, deren Leben er erzählt, wie es gewesen sein könnte. Er hält sich meiner Beurteilung nach soweit bekannt an historische Fakten, fabuliert aber gnadenlos und gut über nebulöse oder unbekannte Zeiten hinweg.

Einziger Wermutstropfen ist wirklich, dass die Reise zu und das Leben mit den amerikanischen Ureinwohnern etwas sehr kurz kommt und erst auf den letzten ca. 50 Seiten thematisiert wird.
Aber bis dahin hat mir das Buch sehr gefallen, es hätte dann gerne noch 100 Seiten weitergehen können.