Wer ist Anne?

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Ich hatte gehofft, dass das Cover des Buches nicht auf die Qualität des Inhalts schließen lassen würde, leider ist das jedoch der Fall.

Immer wieder wird versucht mit möglichst einfach geschriebenen, von der breiten Öffentlichkeit leicht zu verstehenden Werken dem "Europäer" andere Kulturen näher zu bringen. Immer wieder geschieht das traurigerweise undifferenziert und hier sogar auf Kindergartenniveau:

Warum die Autorin sich überhaupt nach Japan in ein Kloster aufmacht und was sie sich davon erwartet, wird mit keinem Wort erwähnt. Ebenso geht sie nicht darauf ein in was für ein Budhistisches Kloster sie sich begibt. Auch im Buddhismus und im Zen Buddhismus gibt es mehrere Richtungen und Orden. In Europa spricht man ja auch nicht von einem christlichen Kloster, sondern z.B. von dem Kloster eines Franziskaner Ordens.
Auch der unverkennbare religionsphänomenologische Einschlag, das eigene Erleben als wichtigsten Punkt klammere ich hier aus, wird stellenweise sehr penetrant. Z.B. S.12: "Ich weiß nicht, ob unser protestantischer Dorfpfarrer zu Hause mir den Kontakt zu seinem katholischen Kollegen hergestellt häte, wenn ich ihn darum gebeten hätte." Wenn man etwas nicht weiß, dann sollte man es nicht schreiben und erst recht keine impliziten Behauptungen aufstellen. Unberücksichtigt bleibt hier wieder einmal, dass die christlichen Bewegungen in Deutschland ganz andere organisatorische Strukturen aufweisen als in japanischen buddhistischen Bewegungen, von den unterschiedlichen Lebensweisen und "Rangordnungen" ganz zu schweigen. Der Kommentar auf S.21 fasst ebenfalls zusammen, was nicht zusammen gehört: "Zen war also kein strikt fernöstliches Erlebnis, sondern eine Wahrheit, die auch im Westen eine Kultur und Tradition hatte." Zen wird hier reduziert auf ein Erlebnis. Das allerdings wird dem japanischen Begriff nicht annähernd gerecht. Kultur und Tradition aus einem kurzen Zitat aus einer einzigen Predigt herauslesen zu wollen, halte ich ebenfalls für sehr gewagt.

Leider werden jedoch nicht nur formelle Fehler gemacht. Ich finde es als Leser eines Berichts über andere Kulturen immer ärgerlich, wenn der Autor versucht sich über sein Mehr an Wissen gegenüber dem Leser als Insider zu profilieren. Warum sonst sollten Begriffe unerklärt bleiben? Was ist zum Beispiel eine "Tatami-Matte" (S.8)? Was soll "((1 LZ))" am Ende des Briefes auf S.10 bedeuten? Was sind ein "Lovehotel" (S.17), was ist eine "Mudra-Handgeste" und was hat sie zu bedeuten, was ist ein "Vairocana Buddha" im Gegensatz zu einem normalen Buddha (beides S. 18)?

Ärgerlich wird es dann aber wirklich, wenn eine neue Person als selbstverständlich erwähnt wird deren Einführung man dem Leser gegenüber offenbar vergessen hat. Denn: Wer ist Anne? Sie taucht auf S.20 ohne den geringsten Kommentar auf.

Außerdem hapert es in der Leseprobe sehr stark mit der Orthographie, Beispiele:
S.13: "..., als ich er schon längst zu meinem Alltag gehörte."
S.15: "Der Mönch machte er eine Geste, ..."
S.18: "Zudem dufte es hier nach ..."

Insgesamt also nicht nur eine reißerische Leseprobe, sondern auch eine qualitativ sehr schlechte ohne Rücksichtnahme auf das Genre.

Ich befürchte, dass meine Rezension nicht besser ausfallen wird, falls das Buch vor Veröffentlichung nicht noch einmal gründlich überarbeitet werden sollte.