Geschichte zeitlos erzählt - rasant und spannend

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„Tell“ von Joachim B. Schmidt ist keine Nach- oder Neuerzählung des Tell-Mythos. Man muss diesen auch nicht allzu genau kennen, um das Buch zu verstehen. Der berühmte Apfelschuss vom Kopf seines Sohnes sowie der Mord an dem verhassten Landvogt werden zwar sehr wohl beschrieben, doch mehr geht Schmidt nicht auf den Mythos ein.
Auch die politische Brisanz des ursprünglichen Tellstoffs, d.h. dass sich nach der Ermordung des Vogts die Schweizer Bauern gegen die Habsburger auflehnen und ihre Freiheit zurückerlangen, kommt in seinem Buch nicht vor, bzw. es endet, bevor diese Geschehnisse eintreten könnten.

Vielmehr ist „Tell“ ein Einblick in die Menschen hinter dem Tell-Mythos. Es beleuchtet die Hintergründe, die die einzelnen Figuren zu ihren Handlungen führen und schafft es dabei sowohl zeitgeschichtlich in die damalige Zeit einzutauchen als auch fast zeitlos die Menschen zu beleuchten, wie sie sind. Dem Autor gelingt es durch kurze Kapitel, in welchen die einzelnen Figuren immer aus der Ich-Perspektive berichten, aufzuzeigen, dass ein jeder in seinen ganz eigenen Ängsten, Zwängen und Abhängigkeiten gefangen ist. Und das es deshalb Situationen gibt, in denen man handelt, wie man handelt, auch wenn man vielleicht das Gegenteil möchte.
Das ist hochaktuell und absolut modern.

Da gibt es also Tell, den Eigenbrödler. Den Ruppigen. Den, der am liebsten in Ruhe gelassen wird. Und der dennoch ein großes Herz hat und für seine Familie und Freunde alles tun würde. Nur eben ohne viel Worte.

Da ist Walter, Tells Sohn. Der um die Anerkennung seines Vaters buhlt. Und gleichzeitig mit sich und dem Erwachsenwerden genug zu tun hat.

Da ist der Landvogt Gessler, der nicht als Besatzer taugt. Den Grausamkeit abstößt. Der aber öffentlich „seinen Mann stehen“ muss, um akzeptiert zu werden. Und der doch viel lieber bei seiner Frau und seiner kleinen Tochter wäre, um seine sanfte, väterliche Seite auszuleben.

Da ist Harras, der Büttel des Landvogts. Der sich an Grausamkeit und Angst ergötzt. Für den die Unterdrückung der Bauern ein großer Spaß und Zeitvertreib ist. Gegen die Langeweile und für den eigenen vollen Bauch und Ruhm.

Da ist Raab, einer der Soldaten. Der eigentlich nicht grausam ist. Der eigentlich Mitleid mit Tell hat. Der als Soldat aber Befehle auszuführen hat, wenn er nicht selber im Kerker landen möchte.

Mein Fazit:
Das Buch hat mich von der ersten Seite gepackt. Die kurzen Kapitel und permanenten Blickwechsel lassen die Geschichte eher wie ein Film wirken, denn wie ein Buch. Das macht es lesenswert und kurzweilig!