Reinfall

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throughmistymarches Avatar

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Oh man. Es tut mir leid, aber das war einfach ein richtig großer Reinfall. Der Klappentext klang so vielversprechend. Ein Meet-Cute der besonderen Art wird versprochen, als Davey aus Texas durch einen Zahlendreher plötzlich Hannah anruft. Was darauf folgt, fühlt sich an wie der Anfang von Etwas ganz großem, dann mysteriöses Abtauchen von Davey.
Klingt gut, aber entspricht nicht dem, was ich gelesen habe. Das Meet-Cute wird dadurch entwertet, dass es bei Davey und Hannah Insta-Love ist. Dabei haben die beiden leider null Chemie und bleiben auch als Figuren unglaublich flach. Hannah, aus deren Perspektive alles beginnt, wirkt eher wie eine Karikatur und nicht wie die Protagonistin eines Romans. Ihr Verhalten, ihre Gedankengänge wirken so unrealistisch. Hier ein paar besondere Perlen: Davey lebt in Austin, sie wusste nicht, dass das in Texas ist (auch das Houston in Texas liegt, war ihr nicht klar); als die beiden (warum auch immer) über Ikea reden, stellt sie erstaunt fest, dass ihr nicht klar war, dass es in Texas auch Ikea gibt (????); in den Amerikaner, der sich verwählt, „verliebt“ sie sich nach gefühlt zwei kurzen Telefongesprächen; mit ihrem Fitnesstrainer trifft sie sich zum ersten Mal außerhalb des Studios zum Essen und bucht kurzerhand eine Reise nach Thailand mit ihm. Aber nicht, weil sie ein spontaner Mensch ist, sondern, so hatte ich das Gefühl, weil es der Autorin einfach nicht gelungen ist, ihre Geschichte und die darin agierenden Figuren authentisch rüberkommen zu lassen.
Fast forward: ein paar Videocalls und gemeinsame „Room with a View“ long distance Filmabende steht Daveys Ankunft, der in England einen Job bekommen hat, bevor. (Natürlich hat Hannah sich für den immer noch relativ Fremden die Wohnungen angeschaut und die passende für ihn ausgewählt; die erste Zeit wird er aber direkt mal bei ihr wohnen…okay.) Hannah wartet stundenlang am Flughafen auf ihn und er kommt einfach nicht. Man ahnt schon seit der Widmung der Autorin, dass das mysteriöse Abtauchen mit Krankheit zu tun hat. Und so ist es dann auch: bei Davey wurde plötzlich Hodenkrebs diagnostiziert. Er kann nicht nach England und möchte Hannah auch nicht belasten; bricht den Kontakt ab. Hannah ist erstmal fertig. In Thailand fängt sie dann etwas mit dem Fitnesstrainer an. Von der super toxischen Beziehung der beiden handelt dann auch der meiste Roman. Natürlich denkt sie immer wieder an Davey und zwischendurch gibt es total random plötzlich Kapitel aus Daveys Perspektive, der natürlich auch an Hannah denkt.
Ich hatte einerseits das Gefühl, dass die Autorin nicht wusste, was sie eigentlich will: eine Lovestory nach dem Meet-Cute, die Darstellung einer sehr toxischen Beziehung, oder eine dramatische Liebesgeschichte mit schlimmer Krankheit. Herausgekommen ist ein richtiges Kuddelmuddel, das keinem der drei Aspekte gerecht wird.
Und dann – und das tut mir am meisten leid – war die ganze Krankheitsgeschichte so schlecht erzählt, dass ich einfach nicht mitfühlen konnte. Vielleicht lag es an den flachen Figuren, an der fehlenden Chemie, vielleicht am Stil der Autorin. Im Nachwort berichtet sie jedenfalls über die Krebserkrankung ihres Mannes und diese paar Seiten waren emotionaler als der ganze Roman.
Zum Schluss gibt’s noch einen weiteren Minuspunkt: an Silvester, das Hannah mit ihren Eltern verbringt, wird zunächst erwähnt, dass der Familienhund große Angst vor Feuerwerk hat. Dann lassen sie ihn aber allein in der Wohnung, um sich eben dieses Feuerwerk anzusehen. Extra angeschaltete klassische Musik hin oder her – wenn mein Haustier Angst hat, lasse ich es nicht allein.