Tod eines Arztes

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evaczyk Avatar

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ie ist 37 Jahre alt und hört die biologische Uhr ticken. Nach einer kürzlich gescheiterten Beziehung - der Ex teilte ihren Kinderwunsch nicht - sieht sich die Züricher Seepolizistin Rosa Zambrano ein wenig am Scheideweg. In ihrem Beruf, an dem sie sehr hängt, sind Schwangerschaft und Dienst unvereinbar, schon wegen der regelmäßigen Tauchgänge. Babybauch, Neoprenanzug und Unterwasserdruck - das passt nicht. Gleichzeitig wird die Sehnsucht nach Nachwuchs immer größer. Eingefrorene Eizellen sollen Zeit für eine Entscheidung schenken. Doch ausgerechnet der Arzt der Kinderwunschpraxis, bei dem Rosa in Behandlung war, wird tot aus dem See gezogen, mit Drogen im Blut. Ein Unfall im Rausch oder ein Verbrechen?

Mit ihrem Kriminalroman "Tiefes, dunkles Blau" setzt die Schweizer Autorin Seraina Kobler schon mit dem Titel den Akkord, denn die Faszination des Wassers ist wie ein roter (oder vielmehr blauer?) Faden, der sich durch das Buch zieht. Immer wieder gibt es bildhafte Bechreibungen, die die Oberfläche des Zürichsee in der Vorstellung in der Sonne funkeln lassen. Überhaupt scheint dieses Buch mit allen Sinnen geschrieben, denn Rosa ist eine begeistere Hobbygärtnerin und -köchin, eine Feinschmeckerin und beim Lesen glaubt man zu riechen, zu schmecken, zu fühlen und zu hören. Neidisch frage ich mich, wie Rosa es schafft, einen vollen Arbeitstag mit soviel übrig bleibender Zeit für Garten und Küche zu erübrigen, doch die Vorstellungskraft wird beim Lesen angeregt.

Der umfangreiche Familien- Freundes- und Kollegenkreis,den die Autorin präsentiert, verrät schon: Dieser Band um die Seepolizistin soll nicht der letzte sein und so manche Frage zum Privatleben der Ermittlerin bleibt ungelöst. Mit Themen wie open science, Gentechnik und der Verantwortung der Wissenschaft stellt Kobler Ethik- und Sinnfragen in den Mittelpunkt des Geschehens. Ihre Figuren sind erfreulich mehrdimensional und mitunter schillernde Charaktere, wie etwa die Chefin eines Escort-Service, die ihre Arbeit feministisch auslegt. Und auch im Fall des toten Arztes ist nicht alles so eindeutig wie es zunächst wirkte: Trennung von der Ehefrau, zahlreiche Beziehungen zu deutlich jüngeren Frauen beziehungsweise den Damen des Escort-Service, Drogen-Experimente - alles ein Fall von klassischer Midlife-Crisis in der Welt der Besserverdienenden?

Einen Hinweis, wer hinter dem Tod des Arztes steckt, gibt Kobler schon früh. Der Spannung schadet das nicht, denn Motive, Methoden und Verbindungen lösen sich erst nach und nach auf. Für mich überzeugt bei "Tiefes, dunkles Blau" vor allem die bildhafte Sprache und die lebendige Schilderung, die das Kopfkino in Gang setzt und eine Vorstellung von Zürich mit seinen Licht- und Schattenseiten, von mittelalterlichen Altstadtgassen, Seeufer und Gebirgslandschaften heraufbeschwört. Ja, davon möchte ich in der Tat gerne einen Folgeband lesen,