Mörderisches Kriegstrauma

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marapaya Avatar

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Mit seinem kalten norwegischen Krimi schlägt Asbjørn Jaklin einige schwere europäische Traumata an, die dem Leser wirklich das Blut in den Adern gefrieren lassen. Alexander Winther ist ein ehemaliger Berufssoldat und hat nun in seiner Lebensmitte noch einmal umgesattelt. An einer norwegischen Tageszeitung im nördlichen Landesteil absolviert er als angehender Journalist ein Volontariat und wird in eine Geschichte hineingezogen, die ihn an seine Grenzen bringt und schließlich sogar eine Gefahr für das eigene Leben darstellt. In der Nähe eines ehemaligen Gefangenen- und Arbeitslagers der deutschen Wehrmacht wird ein Mann erhängt aufgefunden. Seine Identität ist ungeklärt, aber er muss etwas mit diesem Lager zu tun haben, denn seine Leiche wurde mit einem Grabstein des Ehrenfriedhofes beschwert. Alexander Winther versucht die Story aufzudröseln, doch selbst die Polizei tappt lange Zeit im Dunkeln und der Chef vom Dienst verteilt ungerührt wesentlich profanere Jobs an seinen Volontär. Doch irgendwie scheinen diese Aufgaben miteinander zusammenzuhängen, Personen und Greueltaten aus unterschiedlichen Zeiten und Machtverhältnissen kommen dem Tageslicht immer näher und verstören den Leser wie Alex Winther mit ihren Geschichten und Schicksalen.
Die Geschichte entspinnt sich sehr langsam und entwickelt einen ganz eigenen Erzählrhythmus. Dies ist nötig, um die verschiedenen Erzählstränge aus unterschiedlichen Zeiten und die darin geschilderten Greueltaten ansatzweise zu verarbeiten. Das Buch ist harter Tobak und nicht geeignet für zarte Gemüter. So fiktiv die Welt um Alex Winther auch sein mag, die historischen Fakten sind recherchiert und der Wirklichkeit entsprungen. Im Dritten Reich verschleppten SS-Schergen jugoslawische Gefangene nach Norwegen und in den Jugoslawenkriegen der 90er fielen die eigenen Landsleute folternd, schändend und mordend übereinander her. Der internationale Gerichtshof für Kriegsverbrechen in Den Haag arbeitet auch im Jahr 2010 noch zahlreiche Fälle aus Jugoslawien auf und nicht immer kann sich die Gerechtigkeit durchsetzen. All diese Themenkomplexe laufen bei Alex Winther zusammen, selbst sein Vater scheint in die Ereignisse mit hineingezogen gewesen zu sein und keine von Winthers Quellen will offiziell Stellung beziehen.
Tödlicher Frost ist ein belastender Krimi, er ist sperrig, unangenehm und grausam in seiner ausführlichen Schilderung von unterschiedlichsten Greueltaten. Seine Hauptfigur kämpft mit eigenen Dämonen, scheint sich etwas unsicher in der Gesellschaft zu bewegen und wenig Menschen wirklich nah an sich heranzulassen. Er ist dennoch eine sympathische Figur und der rote Faden der Handlung, obwohl er die Geschichte bei weitem nicht überblickt und ihm gegenüber der Leser an vielen Punkten einen Wissensvorsprung hat. Der Erzählstil ist mir persönlich leider etwas zu hölzern und was mir wirklich störend auffiel, ist die fehlende Sorgsamkeit im deutschen Korrektorat. Aus Alex wurde mehr als einmal einfach Axel und manchmal fehlten ganze Wörter oder die Abstände zwischen den Zeichen war auffällig unregelmäßig. Das gibt Minuspunkte, weil mich solche Dinge einfach stark im Lesefluss stören und mein Lektüregenuss sich ob des schwierigen Themas ohnehin sehr angespannt gestaltete.