Auf Achse

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Vor einem halben Jahr entschloss sich der List-Verlag den Erstling des italienischen Autors Paolo Roversi, für den dieser auch mit dem Premio Camaiore ausgezeichnet wurde, unter dem Titel „Die linke Hand des Teufels“ herauszubringen – es war eines meiner Überraschungshits der letzten Zeit! Mit hohen Erwartungen sah ich also der Veröffentlichung von „Tödliches Requiem“, dem zweiten Roman rund um den Mailänder Journalisten Enrico Radeschi entgegen, da ich von der Konstruktion des prallen Plots sehr angetan war.

Umso enttäuschender ist es für mich nun, dem Roman ein schlechtes Zeugnis ausstellen zu müssen. Konnte mich „Die linke Hand des Teufels“ fesseln und mir einige Stunden schenken, in der ich mich in der norditalienischen  Provinz heimisch fühlte, lies mich „Tödliches Requiem“ merkwürdig distanziert zurück.

Das gesellschaftliche Highlight für die oberen Zehntausend in Mailand wird in diesem Jahr von einem Mord überschattet: Während der Opernaufführung in der Mailänder Scala fällt plötzlich der Strom aus und als sich das darauffolgende Chaos etwas lichtet, findet man den Mailänder Oberbürgermeister Senio Biondi ermordet am Boden vor. Motive hätte eigentlich die ganze Stadt gehabt, da der Bürgermeister infolge eines Unfalls von geradezu missionarischem Eifer besessen war und Mailand zu einem besseren Ort auf Erden machen wollte. Die von ihm angestoßenen Initiativen für eine autorfreie Innenstadt und für drastische Erhöhungen von Umweltabgaben der großen Industriezweige stießen auf keine große Gegenliebe und machen jeden zweiten Mailänder potentiell verdächtig. Nicht einfacher wird der Fall, als man kurz darauf auch den Bürgermeister von Paris in seinem Mailänder Hotel, in dem er für die Opernpremiere abgestiegen ist, ermordet auffindet. Da die Polizei mehr oder minder im Dunklen stochert, kommt schon bald Enrico Radeschi, seines Zeichens Journalist und Hacker, ins Spiel, der den ermittelnden Polizist Sebastiani unterstützt, da die beiden freundschaftlich verbunden sind. Der Mailänder Schreiberling recherchiert schon bald unter Hochdruck zwischen Mailand und Paris und kommt den Geheimnissen der Bürgermeister-Morde auf die Spur.

Der Plot der Geschichte klingt eigentlich gar nicht mal so schlecht – ist aber in der Zusammenfassung deutlich besser als in der Ausführung Roversis. Das Buch ist mit seinen rund 230 Seiten schon einmal ziemlich dünn, wenn man bedenkt, dass „Die linke Hand des Teufels“ fast 100 Seiten dicker war. Dennoch sind die Seiten für die Geschichte eigentlich mehr als geschunden, da teilweise die dünne Geschichte gestreckt wird und mit einigen Längen garniert wird. Außerdem sind einige Szenen, die Roversi schildert, heillos abstrus und fernab jeglicher Realität (Bsp.: Ein privater Computerspezialist unterstützt die Polizei und knackt sämtliche Seiten innerhalb von wenigen Sekunden. Das erscheint mir schon etwas irreal). Passte Radeschi noch in das provinzielle Setting von Capo St. Emilia aus dem letzten Roman, wirkt seine Präsenz in Mailand und Paris relativ blass und austauschbar. Auch das Frauenbild, das Roversi in „Tödliches Requiem“ transportiert, wird Feministinnen aufschreien lassen. Machte der Italiener im Erstling schon ganz viele richtig, baut „Tödliches Requiem“ konsequent ab und ist ziemlich schwach. Hätte ich nicht bereits „Die linke Hand des Teufels“ von Roversi gelesen, würde ich dem Autor keine Chance mehr geben. So hoffe ich jetzt trotzdem, dass sich Paolo Roversi mit seinem dritten Radeschi-Krimi wieder bessert und die Lektüre wieder lohnt – er kann es nämlich deutlich besser!

Bücher sind wie Schiffe, die das Meer der Zeit durchsegeln (Francis Bacon)