Tödlich langweiliges Requiem

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r.e.r. Avatar

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Die Stadt Mailand bereitet sich auf ein großes Klassikevent vor. Alles was Rang, Namen und vor allem Geld hat, wird am Abend an der Mailänder Scala zu der Opernaufführung des Jahres erwartet. Auch der Bürgermeister der Stadt Senio Biondi wird dort sein, auch wenn die Bürger gerade nicht gut auf ihn zu sprechen sind. Zu teuer finden die Steuerzahler seine Pläne die norditalienische Modemetropole umweltfreundlich für die Zukunft zu rüsten. Während der Vorstellung fällt in der gesamten Stadt der Strom aus. Als die Lichter wieder angehen, ist Biondi tot. Enrico Radeschi, der Spürhundreporter des Corriere, stößt auf eine Fährte die ihn direkt in den Pariser Untergrund führt.

 

Was inhaltlich wie ein klassischer Krimi klingt, entpuppt sich als die Beschreibung der Lebenskrisen eines Mitdreißigers. Die Hauptfigur Enrico Radeschi lebt als freischaffender Reporter mit Hund, Grünpflanze und gelber Vespa. Sein Job deckt seine Unterhaltskosten kaum, weshalb er regelmäßig andere Einnahmequellen sucht, die er selber als fragwürdig bezeichnet. Er ist lässig, hat aber einen sehr erfolgsorientierten Ehrgeiz seinen Beruf betreffend. Sein Verhältnis zu Frauen ist von immer neuen Hoffnungen mit ebenso sicher darauf folgenden Enttäuschungen geprägt. Er kocht gut und isst gern. Seine Handlungen unterlegt er vorzugsweise mit dem Soundtrack aus seinem i-Pod. Daher findet sich über jedem Szenenabschnitt des Buches der Hinweis auf ein Musikstück: Select. David Bowie. Play. Rebel Rebel. Enrico ist der Fixstern um den alles kreist. Der Inhalt hat daher weniger mit dem sich klärenden Fall, als mit den Ansichten und Erlebnissen des wichtigsten Protagonisten zu tun.

 

Paolo Roversi setzt zudem eher auf skurrile Situationskomik als auf Spannung. Die Hintergründe der Ermordung scheinen nach Paris zu führen. Woraufhin Enrico dort für seine Zeitung ermittelt. Er gerät ihn in ein von Autonomen besetztes Haus. Als erstes bietet ihm eine junge Frau Haschkekse an. Als Dank verlangt Sie von ihm lediglich eine kleine Gefälligkeit. Sie legt im Keller des Hauses Hand an ihn um sich mit dem “Erguss” der Bemühungen die Hände einzucremen. “Magnifique pour la peau”. So entdeckt er “ganz nebenbei” auch das geheime Quartier der Verdächtigen, weil er (während er seine Schuld begleicht) auf einer versteckten Falltür steht! Es gibt noch einige solcher Szenen, die wie das Werk eines unreifen Geistes anmuten. Die Glaubwürdigkeits- und Geschmacksgrenze liegen sehr tief.

 

Sprachlich präsentiert sich das Werk wechselhaft. Gestelzten Sätzen (“die spitzen Fialen des Doms waren mit einem Pinselstrich schwarz getuscht worden) folgen unmittelbar schöne Formulierungen (“der Stromausfall hatte die Gezeiten der Großstadt verschoben”).

 

Die Figuren des Romans, hauptsächlich Polizisten und Journalisten, bleiben oberflächlich. Neben Enrico sticht nur eine andere Figur heraus. Die seines Assistenten Fuster. Der junge Mann bewundert die Schreibweise Enricos und bietet ihm seine Unterstützung an, wenn dieser sein Mentor wird. Die unfreiwillige Paarung hat Charme, weil beide Charaktere sich ergänzen. Auf der einen Seite der vom Leben ernüchterte, schon etwas abgehalfterte, mit allen Wassern gewaschene Reporter. Auf der anderen Seite der junge, motivierte, finanziell gut gestellte (und gut gekleidete) Sohn aus bestem Hause. Ein Gentleman mit Prinzipien und einer entwaffnenden Naivität.

 

Allerdings reißen die wenigen Szenen und Dialoge mit den beiden den Roman nicht aus seiner Mittelmäßigkeit. Über weite Strecken wird nichts als gepflegte Langeweile geboten. All die wortreich ausgelegten Fährten zu Autonomen, Wirtschaftskriminellen und politischen Feinden erweisen sich als bloße Seitenfüller. Das Ende enttäuscht in seiner Einfallslosigkeit.