Viel Potenzial verschenkt

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buchmareike Avatar

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Hauptfigur in TOTE VÖGEL SINGEN NICHT ist der windige und notgeile Anwalt Cosinus Gaus. Von einem tyrannischen Vater aufgezogen fühlt er keine Empathie. Menschen sind für ihn nur Mittel zum Zweck. Frauen werden in erster Linie nach ihrer Betttauglichkeit beurteilt und Mandanten dienen ihm als Geldquelle, wobei ihm Recht und Gesetz gleichgültig sind. Trotzdem ist Gaus notorisch pleite.

Eines Nachts wacht Cosinus Gaus neben der Leiche einer jungen Frau auf und kann sich an den letzten Abend nicht mehr vollständig erinnern. Wegen einer seltenen Krankheit hat er regelmäßig Ohnmachtsanfälle. Jetzt muss er den Mörder der Frau finden, bevor die Polizei Gaus findet.

Was sich nach einem guten Thriller anhört, entpuppt sich als Enttäuschung. Der durchaus interessanten Figur des Cosinus Gaus fehlt ein Gegenpart. Wie schön wäre es gewesen, zwischendurch die Perspektive einer Frau zu lesen! Vielleicht einer klugen Ermittlerin, die Cosinus Gaus auf den Fersen ist. Der Leser hätte Abwechslung gehabt, es hätte interessante Zwischenspiele und Konflikte geben können. So wirkt die Geschichte auf die Dauer einseitig. – Die Dosierung macht das Gift. Hier ein Gaus – Overkill. Durch die einseitige Perspektive wurde viel Potenzial verschenkt. Auch hätte der Anwalt wenigstens gerissen sein können oder mit juristischen Feinheiten überraschen. Leider hat man im ersten Teil des Buches schon alles über ihn erfahren und es verändert sich kaum noch etwas.

Was mich sehr gestört hat, war die Angewohnheit des Autors, Dialoge zu überspringen. Gaus trifft eine Zeugin/einen Zeugen und der Leser erfährt nur, dass dieser etwas Interessantes erzählt hat. So wird dem Leser jede Chance zum Miträtseln genommen, es kommt keine SUSPENSE auf. Hier hätte das Lektorat einschreiten müssen.

Außerdem schließe ich mich meinen Mitrezensenten an, dass diese Geschichte ein Kriminalroman und kein Thriller ist. Bei einem Thriller geht es darum, ein Geschehen zu verhindern, bei einem Krimi darum, einen Fall aufzuklären. Es kommt leider, - da der Leser kaum die Chance hat, sich mit der Figur zu identifizieren und mit ihr mitzufiebern, – keine Spannung auf. Dem saloppen Spruch des Autors, in jedem Menschen stecke ein wenig von Cosinus Gaus, wage ich zu widersprechen: Ich bin mir ziemlich sicher, dass in mir - und auch in den meisten anderen Frauen - keine Spur von Cosinus Gaus steckt. Und hier kommen wir zum nächsten Kritikpunkt: Frauenfeindlichkeit.

Auch wenn vielleicht nicht beabsichtigt, kommt die Geschichte frauenfeindlich daher. Nicht unbedingt durch die Perspektive des Cosinus Gaus, der in seiner Darstellung überspitzt und daher nicht erstzunehmen ist. Aber dadurch, dass unglaubwürdigerweise alle Frauen mit ihm schlafen wollen, bekommt er dann doch eine Art „Heldenimage“. Dann wird dir Selbstironie unglaubwürdig. Selbst die lesbische Frau hat Sex mit ihm – Tut mir leid, aber das geht gar nicht. Ein starker Frauenpart hätte hier die weibliche Leserschaft versöhnen können. So kann ich nur folgern, dass die Zielgruppe des Buches Männer sind. Bei mir kommt diese Möchte-gerne-James-Bond-Manier jedenfalls nicht gut an.

Und zuletzt: Dass ein in die Mathematik vernarrter Vater seinen Sohn Cosinus nennt, ist witzig. Dass er den anderen Sohn Sinus nennt, geht leider gar nicht. Hier fühlt sich der Leser für dumm verkauft. Und das ist leider auch mein Fazit des Buches.