Den Weg er-fahren

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botte05 Avatar

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„Auf der Achse der Schlümpfe in Teheran und allein unter Springbrunnen in Ashgabat, mit Mission Plov in Usbekistan und, in die kompakte Yogastellung „Der Maxibrief“ gefaltet, per Nachtzug durch Kasachstan: Die Schriftstellerin Tina Uebel reiste in zwei Monaten auf dem Landweg von Hamburg nach Shanghai, durch Balkan, Türkei, Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan und China.“ – Zitat Buchrücken

Tina Uebel „muss“ nach Shanghai. Sie hat ein zweimonatiges Stipendium bekommen. Fliegen kann ja jeder; scheidet allein deswegen schon aus. Vorschlag: mit der Transsib reisen und von dort berichten. Transsibirische Eisenbahn? Pah! Das geht viel besser! Nah am Reisenden an und für sich, den Staub der Äonen schnuppern, quasi „Reisen zum Anfassen“. Okay, nach Shanghai über Land, das geht jetzt nicht wirklich „einfach so“. Also muss gut vorbereitet, geplant und auch auf Alternativen vorbereitet werden. Aber eine Frau Uebel ist ja so was von cool und vertraut darauf, dass sich das letzte, einfach nicht eintreffende Visum spätestens am Bahnhof unmittelbar vor der Abreise zu ihr gesellen wird… Ich als Leser mit eher realistisch-passiver Gesinnung werde überrascht, wie sich doch immer wieder auf dieser Reise das Eine in das Andere fügt und das Ziel in der Tat rechtzeitig erreicht wird.

Es ist mir ein herzerfrischendes Vergnügen, diese Reise begleiten zu dürfen. Ohne Pfefferspray oder Elektroschocker, Leibgarde oder abstoßende Krankheiten erlebt die alleinreisende Autorin eine Reise der Extraklasse. Sie lernt Land und Leute kennen, befindet sich mitten unter den „normalen“ Reisenden und der „normalen“ Bevölkerung und wird – spätestens wenn klar ist, dass sie Deutsche und nicht Russin ist – herzlich aufgenommen, befragt, verköstigt, informiert, eingeladen, herumgeführt und notfalls angeleitet. Wo die ganzen "bösen Buben" sind, vor denen frau vor Antritt der Reise gewarnt wurde, kann nicht aufgeklärt werden...

Und die Sprachprobleme?!? Gibt es nicht. Sicherlich hat jeder Reisende schon die Erfahrung gemacht, dass man mit Freundlichkeit, einem Lächeln sowie Händen und Füßen Sprachbarrieren egalisieren kann. Die gröbsten Sprachschwierigkeiten gibt es angesichts von Behörden und Rezeptionen. Es ist aber auch wirklich schwierig, russisch nach etwas zum Notebook / WiFi zu fragen, wenn Notebook / WiFi dort genauso ausgesprochen wird, wie bei uns. Man bzw. frau ist ja nun mal kein Russe…

Wer nun ein Buch mit dröger Schilderung korrekter Abfahrtszeiten, schlüssiger Eisenbahnverbindungen, detailgetreuer Begutachtung mehr oder minder Sehenswertem entlang der Route und Reportage über die Menschen mit journalistischem Abstand sucht, braucht gar nicht erst loszulesen. Tina Uebel scheint „das Herz am rechten Fleck“ und eine erfrischende Frohnatur in sich zu vereinen. Dies noch ergänzt um Optimismus und notfalls Pragmatismus, gewandet in das „dummer-Tourist-auf-Safari-Outfit“, zum Glück mittelfristig um die unabdingbaren Schwachmatensandalen (im Austausch gegen das gute deutsche vernünftige Schuhwerk) ergänzt, ergibt für mich die Idealbesetzung auf dieser Reise.

Das Cover ist schlicht gehalten und stellt auf der Vorderseite einen Zug dar. Auf der Rückseite überrascht ein mir bis dato unbekanntes, also unübliches Verbotsschild. Das Buch selbst verfügt im Einband über eine Landkarte der Reiseroute. Zudem gibt es im Verlaufe des geschriebenen Textes verschiedene Fotografien von Menschen, Orten, Schildern und Sehenswertem, was eine schöne Ergänzung zum Gelesenen darstellt.

Von mir eine absolute Lese-Empfehlung für Interessenten alternativer „Reiseführer / -berichte“!

Rezension: Tina Uebel, Uebel unterwegs, Sachbuch, Delius Klasing Verlag, Gebundene Ausgabe, 256 Seiten, 19,90 €, Erscheinungsdatum: 14.03.2016