Kein schönes Leseerlebnis, schade!

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
dauerleserin Avatar

Von

Ja, ich habe dieses Buch doch tatsächlich bis zum Ende gelesen, obwohl ich nach den ersten 100 Seiten am liebsten aufgegeben hätte.

Aber, langsam... Die Autorin erhät einen Job Shanghai und beschließt, nicht zu fliegen, sondern die Reise auf dem Landweg, also mit der Bahn, zurückzulegen. Wie man sich unschwer vorstellen kann, das zieht sich etwas hin, auch für den Leser. Obwohl ich grundsätzlich Respekt bei diesem Vorhaben hatte, weil ich so etwas nie machen würde, hat mich schon ziemlich zu Beginn des Buches der selbstgefällige, selbstverliebte Stil der Autorin geärgert. Das ist schade, weil das Buch ja an sich ein tolle Idee ist. Sie macht da schon etwas Außergewöhnliches, aber muss sie es wirklich auch ständig betonen? Unterhaltsam waren hier allein ihre Bemerkungen zu den Büchern, die sie auf ihrer Fahrt liest, und die sie dann nach und nach an verschiedenen Orten zurücklassen muss, damit ihr Rucksack leichter wird. Diesen Handlungsstrang hätte man mehr ausbauen können.

Was mich letztendlich dazu bewegt hat, das Buch doch zuende zu lesen und mit der Autorin nach Shanghai zu reisen, war die Aussicht, ihre China-Eindrücke zu lesen. China erreicht sie dann endlich auf S. 195 (von 243 Seiten). Und hier war meine Enttäuschung erst so richtig groß. Ich hatte den Eindruck, dass die Autorin ihr Wissen allein aus dem Lonely-Planet, den sie mit sich führt, bezogen hat. Da ich selbst fünf Jahre in China gelebt habe (drei jahre in Beijing und zwei Jahre in Shanghai) kann ich mir erlauben, zu sagen: So ist es nun wirklich nicht in China!

Die Autorin hat krampfhaft versucht, alle Klischees und Vorurteile über China zu bedienen: Penis essen, Teezeremonie, einen chinesischen Namen erhalten, Tischmanieren, Bauchlüften... Ich persönlich habe in fünf Jahren in China keinen Westeuropäer kennenpgelernt, der eine Affenpenis o.ä. gekostet hat, und die Mahlzeiten sind auch überhaupt nicht so ausschweifend wie hier suggeriert wird. Im Gegenteil, normale Esseneinladungen in Restaurants enden oft schon vor 20.00 Uhr, nicht so wie bei uns. Diese Liste an Unwahrheiten / Überzogenem ließe sich noch fortsetzen... leider! Und: Wenn die Autorin so beliebt ist wie sie tut, dann hätte ihr außerdem einer ihrer diversen Freunde außerdem mal erklären können, wie man in China ein Taxi zu sich ruft, das wäre doch mal hilfreich gewesen.

Weil ich noch nicht genug gemeckert habe: Mir hat die Umgangssprache, die in diesem Buch verwendet wird, überhaupt nicht gefallen, auch wenn sie natürlich den Text lebendig / authentisch machen soll. Das ist anstrengend zu lesen. In diesem Zusammenhang ganz schlimm der flapsige Begriff "Rezeptionsmäuse" (z.B. auf S. 198). Betitelt man so wirklich arbeitende Menschen??? Vielleicht sollte Frau Übel mal einen Kurs für Interkulturelles Training machen. So was sagt man nicht, wenn man Gast in einem Land ist, das wissen sogar die Schlipsträger, die für deutsche Firmen in China tätig sind. Hoffentlich hat die Autorin mit all ihren verdrehten Vorstellungen wenigstens ihre Zeit in Shanghai genießen können.
Schade!!!!

Die Dauerleserin