Wenn Klimaschutz nicht mehr reicht

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missmarie Avatar

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"Versuch mal, den Regenwald aufzuforsten, inklusive Ökosystem und ausgestorbener Tierarten, oder Gletscher in die Arktis zu packen, den Permafrost in Sibirien wieder einzufrieren - you get the point."

Ja, den Kern des Problems hat man schon nach ein paar Seiten Lektüre von Milena Glimbovskis Sachbuch "Über Leben in der Klimakrise" begriffen. Eigentlich ist es nämlich schon kurz nach 12, um in den typischen Klima-Metaphern zu bleiben. Das 1,5-Grad-Ziel werden wir nicht mehr einhalten können. Das belegt die Aktivistin und Unternehmerin gleich anhand mehrerer - gut recherchierter - Studien. Deswegen bleiben uns nun zwei Möglichkeiten: Den Kopf in den Sand stecken angesichts all der Klimaangst und Klimaverzweiflung (die auch die Autorin plagen, wie sie an vielen Stellen zu gibt. Oder sich über Klimaanpassung Gedanken machen. Darum geht es in ,,Über Leben in der Klimakrise" - einem Buch, das aus dem gleichnamigen Podcast heraus entstanden ist und Raum bieten soll, für Fragen, die im Audioformat nicht (umfassend) beantwortet werden konnten.

Klimaanpassung ist ,,keine Alternative zur Emissionssenkung, sondern eine wichtige Ergänzung, die uns als Menschheit ermöglichen soll, mit den kommenden Klimaschäden zu leben." So definiert die Autorin, was mit diesem Überleben eigentlich gemeint ist. Konkret heißt das, Lösungen für Probleme wie zu wenig Wasser (Dürreperioden) oder zu viel (Überschwemmungen) zu finden, mit schwankenden Energielieferungen umzugehen oder den Kapitalismus als Wirtschaftssystem zu hinterfragen. Dazu spricht Original Unverpackt Gründerin Glimbovski mit Experten und Ämtern (z.B. den Berliner Wasserbetrieben) und schaut sich Pilotprojekte wie die Schwammstadt Kopenhagen an. Das alles zeigt, wie es gehen könnte. Zitierte Studien und Beschlüsse vertiefen die Beispiele noch einmal fundiert, ohne dass die Lektüre langweilig wird.

Dennoch mach die Unternehmerin und Autorin auch deutlich: Wir sind an einen Punkt gelangt, an dem die Klimaschutzbemühungen von Privatpersonen nicht mehr ausreichen. Klimaschutz und Klimaanpassung sind ein strukturelles Problem, um das sich die Politik lieber gestern als heute hätte kümmern sollen. Denn an den Folgen der Erderwärmung werden nicht nur Privatpersonen zu knabbern haben, etwa weil die Zahl der Hitzetoten zunimmt. Auch die Volkswirtschaften werden schon bald mit massiven Kosten rechnen müssen, wenn sie auf Extremwetterereignisse lediglich reagieren.

Angesichts dieser Dringlichkeit ist es verständlich, dass Glimbovski auch über die Radikalisierung des Klimaprotestes nachdenkt. Hier klingt zumindest zwischen den Zeilen auch die Frage an, inwiefern die Aktionen der Letzten Generation zu rechtfertigen sind. Für meinen Geschmack räumt Glimbovski diesem Thema aber zu viel Raum ein. Bevor es überhaupt richtig um das Thema des Romans geht, gibt es ein langes Kapitel zum Klimaaktivismus. Die ersten rund 20 Seiten haben also nicht direkt etwas mit der Frage zu tun, wie wir auf einer immer heißer werdenden Erde überleben können. Das fand ich schade.

Mir persönlich gefällt die Mischung aus persönlichen Anekdoten und wissenschaftlich fundierten Fakten, mit der das Buch daher kommt, recht gut. Stellenweise hat man aber das Gefühl, dass die Autorin doch sehr in ihrer Schweden-Kreuzberg-Blase unterwegs ist. Und die repräsentiert nicht unbedingt den Lebensstil des Durchschnittsdeutschen. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser eher privilegierte Lebensstandard nicht zwingend zur Identifikation beiträgt. Gleiches gilt für die Werbung für andere Start-Ups wie einhorn, die immer mal wieder auftaucht.