Umweg zu sich selbst

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cracklinrosie Avatar

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Ben(jamin) Benjamin - der der Erzähler des Buches ist - hat einen sehr schweren Schicksalsschlag erlitten, mit dessen Folgen und Schuldgefühlen er auch nach 2 Jahren noch zu kämpfen hat. Er kann sich von der Vergangenheit einfach nicht lösen und sein Denken kreist ständig um sein "früheres" Leben. Dabei geht es ihm immer schlechter. Kurz bevor ihm droht pleite zu sein und auf der Straße zu landen, macht er eine Schnell-Pflegerausbildung und bekommt seine erste Anstellung bei Trevor, der unter Muskelschwund leidet und der hilflos im Rollstuhl sitzt. Damit beginnt sich Bens Leben zu ändern und auch das von Trevor bekommt neuen Schwung. 

Bens Ehe ist an dem Schicksalsschlag gescheitert und seine Frau möchte die Scheidung, etwas, was Ben absolut unmöglich erscheint, da es das letzte Bisschen ist, was eine Verbindung zu seinem Vorleben darstellt. Wie in USA üblich, müssen die Scheidungspapiere persönlich übergeben werden und sie setzt einen Boten darauf an, Ben aufzulauern und ihm die nötigen Papiere zu überreichen. Also versucht Ben, diesem ständig zu entkommen. Als er sich schließlich mit Trevor dazu aufmacht dessen Vater zu besuchen, der weit entfernt wohnt, nimmt Bens Entwicklung ihren Lauf. Sie begegnen auf dem Weg einer Reihe von interessanten Leuten, von denen jeder sein Päckchen zu tragen hat. Dabei kommen sie nicht umhin, manchen Umweg zu fahren, kommen dann aber auch endlich bei sich selbst an. 

Die erste Hälfte des Buches befasst sich mit der Zeit vor der Reise. Dabei gibt es immer wieder Sprünge in die Vergangenheit, die sich jenem schicksalhaften Tag beständig nähern, an dem Bens Leben aus den Fugen geraten ist. Was passiert ist, kristallisiert sich relativ schnell heraus, nur die genauen Zusammenhänge klären sich immer mehr mit jedem Rückblick. Die Zeitsprünge sind recht gut zu erfassen und ich hatte an keiner Stelle ein Problem mit der zeitlichen Orientierung. Deutlich wird dargestellt, dass Ben eigentlich nur vor sich hin existiert. Es scheint so, als wäre ihm eigentlich alles egal. Alles sind nur Notbehelfe und Notlösungen. Er lebt mit dem Ziel, seine Frau wieder zu gewinnen und mit ihr einen neuen Anfang zu machen, sprich: Alles soll wieder so werden wie früher. Was allerdings unmöglich ist in Anbetracht der Vergangenheit. 

Etwa in der Mitte des Buches beginnt die Fahrt zu Trevors Vater, der nach Bekanntwerden der Erkrankung seines Sohnes ihn und die Mutter im Stich ließ und sich auf und davon machte. Dieses Paket hat Trevor seither zu tragen und auch er muss einiges lernen, um seinem Vater vergeben zu können. Auf dieser Fahrt reift vor allem Bens Erkenntnis, dass man die Zeit nicht zurück drehen kann und man sich irgendwann der Zukunft ergeben und stellen muss, wenn man sich nicht selbst aufgeben will. 

Insgesamt ist das Buch ausgesprochen interessant vom Aufbau und der Handlung her. Die Charaktere sind wirklich gut angelegt und sehr authentisch. Der Ton ist recht locker, teilweise regelrecht flapsig, Durch den frischen Schreibstil kommt man gut auch über nicht so einfache Stellen weg. Die persönliche Entwicklung des Erzählers ist nachvollziehbar und interessant zu lesen. 

Die Beschreibung des Verlags hingegen finde ich ausgesprochen irreführend, was bei mir zu einem Stern Abzug geführt hat. Vermittelt wird, dass es sich um einen recht lustigen Roadtrip mit reichlich Verwicklungen und skurrilen Erlebnissen mit den Mitfahren handelt. Tatsächlich kommen diese Mitfahrer jedoch nur kurz zum Zuge. Ihre Silhouetten sind auf dem Einband abgebildet, sodass auch hier der Eindruck erweckt wird, dass diese Personen Hauptpersonen des Romans sind - was definitiv nicht der Fall ist. Es sind im Grunde lediglich die Insassen des Fahrzeugs - und das tlw. extrem kurz. Obwohl mir das Buch wirklich gut gefallen hat, stört mich diese Irreführung ungemein, denn das Buch hat sie sicher nicht nötig! 

Fazit: Ein ungewöhnliches Buch das unterhält und auch nachdenklich stimmt. Mit einem HappyEnd, das eigentlich keines ist.