Vom Festhalten und Loslassen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
lilli333 Avatar

Von

Inhalt:
Der 40-jährige Ben ist psychisch und finanziell am Ende. Nach einem schweren Schicksalsschlag hat ihn seine Frau Janet verlassen und will die Scheidung. Ben hat nichts gelernt, war „nur“ Hausmann und Vater. Nun steht er vor dem Nichts. Er besucht einen Kurs für häusliche Pflege und lernt so den 19-jährigen Trevor kennen, der bei seiner Mutter lebt. Trevor sitzt im Rollstuhl, er leidet an Muskeldystrophie Duchenne. Wenn er schon sein eigenes Leben nicht auf die Reihe kriegt, versucht Ben wenigstens, Trevor ein bisschen zu unterstützen und aufzumuntern.

Meine Meinung:
Jonathan Evison hat einen wirklich tollen Erzählstil. Er ist sehr locker, aber tiefgründig. Mir gefällt, dass Ben hier als Ich-Erzähler fungiert. Es kommt einem so vor, als würde er sich direkt an den Leser wenden. Man bekommt seine ganzen Gedanken und Gefühle gut mit. Das ist wirklich klasse gemacht. Ich mag die Ironie und den Sarkasmus, mit dem er erzählt. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, direkt neben ihm zu stehen bzw. mit ihm im Auto zu sitzen.

Ben war mir von Anfang an sehr sympathisch. Er hat Fehler gemacht und weiß das auch. Gerade deswegen leidet er so sehr unter der Situation. Er macht sich Vorwürfe und verzweifelt schier daran. Und doch gibt er nie auf, kämpft um das, was von seinem Leben noch übrig ist.

Erst durch die eingeschobenen Rückblenden wird immer deutlicher, was in Bens Leben schiefgelaufen ist. So sieht man die Katastrophe kommen, obwohl sie schon längst passiert ist. Man möchte eingreifen, Ben zurufen - aber es hilft ja nichts, das Schreckliche ist ja schon geschehen.

Auch bei Trev läuft es nicht so toll. Sein Vater hat die Familie vor vielen Jahren verlassen. Etwa ab der Mitte des Buches beginnt dann der Roadtrip. Ben und Trev machen sich auf den Weg zu Trevors Vater quer durch die USA. Sie gabeln verschiedene junge Leute auf, wodurch die Reisegruppe sehr bunt wird. Jeder ist ganz besonders und man könnte sicher über jede Figur ein eigenes Buch schreiben. Es ist schön zu lesen, wie diese fremden Menschen füreinander da sind. Das gibt einem Hoffnung. Am Schluss wird jeder einen Schritt weitergekommen sein und etwas für sein weiteres Leben mitgenommen haben.

Fazit:
„Umweg nach Hause“ ist ein warmherziger, feinfühliger und locker zu lesender Roman, den ich gerne weiterempfehle. Der Grundtenor ist eher melancholisch, doch gibt es auch viele Momente des Glücks und der Hoffnung.