Sorgfältig erzählter Anfang

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
apomaus Avatar

Von

Während es heutzutage modern zu sein scheint, Bücher (Krimis) mit einem Prolog beginnen zu lassen, in dem irgendetwas erzählt wird, was man im Moment noch gar nicht einordnen kann und was dann später erst klar wird, fängt dieses Buch ganz einfach am Anfang an. Aus gekonnt kindgerechter Perspektive wird erzählt, wie Gustav die Nachkriegszeit mit seiner Mutter in der Schweiz erlebt, was er für Stereotype zu hören und für Rituale zu tun bekommt und wie merkwürdig er das manchmal empfindet. Er macht sich zwar seine Gedanken dazu, ist aber keineswegs rebellisch oder trotzig.
Dann lernt er Anton kennen und in seiner geradlinigen, manchmal naiven Art erforscht er eine neue Wirklichkeit, von der er bisher gar nichts gekannt hatte. Es zeichnet sich ab, dass hier eine außergewöhnlich tiefe Freundschaft geschlossen wird und dass diese Freundschaft Konfliktpotential in der Familiengeschichte hat.

Rose Tremain erzählt in einer ungewöhnlich klaren, bedächtigen Sprache. Es ist ein Genuss, die Sätze zu lesen, die ohne moderne Formulierungen, ohne komplizierte Satzkonstruktionen, ohne Umgangssprache, Slang und Anglizismen auskommt und trotzdem keineswegs langweilig oder hausbacken wirkt. Mir gefällt sehr, wie gründlich sie eine Entwicklung von Anfang an beschreibt, wie behutsam sie den Beginn einer Freundschaft entwickelt und wie sie dabei von Anfang an leise Töne und Anklänge zu Wort kommen lässt.