Bavaria in der Schweiz

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bavaria123 Avatar

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Gustav Perle wuchs in den 1940er-Jahren allein bei seiner Mutter Emilie in ärmlichen Verhältnissen im schweizerischen Matzlingen. Als Anton Zwiebel, ein Junge aus einer gut situierten jüdischen Familie, in seine Klasse kommt, ändert sich auch Gustavs Leben. Anton spielt Klavier, und seine Familie nimmt Gustav sonntags mit zum Eislaufen. Emilie sieht das nicht gerne, lebt sie doch in der Überzeugung, dass die Bereitschaft ihres verstorbenen Mannes, jüdischen Flüchtlingen zu helfen, letztlich ihr gemeinsames Leben ruiniert hat. Doch Anton ist alles, was Gustav braucht, um glücklich zu sein. Umso härter trifft es ihn, als Anton – beide sind längst erwachsen – Matzlingen verlässt, weil er seine große Chance als Pianist wittert.
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Meine Meinung
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Als erstes muss ich mich bei dem Buch dem Äußeren zuwenden. Das Cover ist wirklich sehr schön und damit auch absolut gelungen. Ein schlichtes aber ansprechendes Motiv, welches zu Einhundert Prozent den Inhalt des Buches trifft. Alle Daumen hoch dafür.

Die Beschreibung des Inhaltes und auch die Leseprobe fand ich schon sehr ansprechend und so habe ich mich absolut gefreut, das gesamte Werk auch Vorablesen zu können. Eines vorweg…ich wurde nicht enttäuscht.

Die Geschichte an sich ist nicht weltbewegend und in sich eigentlich eher ruhig. Und doch hat sie einiges in sich. Im Prinzip ist es aus drei Teilen bestehend. Zunächst die Kindheit von Gustav und Anton, die in der Nachkriegszeit spielt. Dann schließt sich ein Rückblick auf das Leben der Eltern von Gustav Perle an. Und zum Ende hin befinden sich der Leser und die Handlung mehr oder weniger in der Gegenwart.

Sehr gelungen empfinde ich die Einbeziehung von historischen und geografischen Gegebenheiten. Über den Umgang der Schweiz mit den flüchtenden Juden war mir selbst nicht so arg viel bekannt. Natürlich hat das Flüchtlingsthema auch heute wieder oder noch immer Relevanz.

Die Autorin lässt relativ wenige Personen an der Handlung teilnehmen. Diese Charaktere sind aber sehr unterschiedlich und beleben die Erzählung. Gustav Perle, der Halbwaise, ist ein eher zartfühlender Mensch, der seine Mutter liebt, aber von ihr eher unbeachtet bleibt. Anton Zwiebel kommt unsicher und schwach herüber. Er wird von seinen Eltern geliebt und gefördert…vielleicht auch eher überfordert. Während Gustavs Mutter ähnlich verbittert und enttäuscht vom Leben ist, wie auch ihre Mutter, so wirken Antons Eltern eher sympathisch und kultiviert. Wobei doch eine Diskrepanz zwischen Scheinen und seien ist.

Der Sprachstil der Autorin ist überaus gefühlvoll und intensiv. Das Buch hat bei mir einen längeren Nachhall. Manche Gedanken finde ich einfach absolut interessant. So wird auf Seite 50 über das Lachen und Weinen nachgedacht. Lachen ist somit ein bisschen wie Weinen. Eine Erschütterung, nur aus einer anderen Ecke des Gehirns. Der Trick besteht darin, das Weinen aus dieser Ecke zu vertreiben und das Lachen hinein zu lassen. Das ist eine ganz erstklassige Erklärung wie ich finde.
Eine für mich selbst zum Nachdenken anregende Aussage ist die, die ich auf Seite 315 gefunden habe. Sie lautet: Manchmal ist es besser, wenn bestimmte Dinge ungesagt bleiben damit sich der Kopf seine eigenen Geschichten über die Vergangenheit zusammenreimen kann. Geschichten, mit denen man leben kann. Geschichten, die sich ihre eigene Wahrheit schaffen.

Auf Seite 180 hat das Buch, welches ich bekommen hatte eine unschöne Befleckung, die wohl beim Druck entstanden sein muss. Ich denke aber, das wird nicht bei allen Exemplaren so aussehen.

Ich empfehle das Buch mit allen Sternen, mir hat es nachhaltig wirklich sehr gut gefallen.