Besser spät als nie

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evelynmartina Avatar

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„Und damit fing es an“ von Rose Tremain erzählt die Geschichte von Gustav und Anton, die sich als Kinder in den 1940er Jahren in einem kleinen Schweizer Dorf kennenlernen und näherkommen, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein können. Denn Gustav wächst mit seiner Mutter in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater verstarb viel zu früh, Schuld daran waren die Juden, so behauptet jedenfalls Gustavs Mutter. Und Anton ist Jude und stammt noch dazu aus einer vermögenden Familie. Trotz aller Widrigkeiten entwickelt sich zwischen den beiden eine Freundschaft, die Höhen und Tiefen durchlebt und schlussendlich erst in späten Jahren wirkliche Erfüllung findet.

Der Roman gliedert sich in drei Teile. Er beginnt mit der Kindheit von Gustav und Anton, blickt dann zurück auf Gustavs Eltern und endet schließlich im Jahr 2002. Rose Tremain spannt einen weiten Bogen und erzählt emotional und ohne Tabus von Freundschaft und Liebe, von Leidenschaft und Schmerz in guten wie in schlechten Zeiten.
Wer die Inhaltsangabe zum Buch gelesen hat, die meiner Meinung nach viel zu ausführlich geraten ist, wird während der Lektüre merken, daß sich bloß wenige Überraschungen auftun, ja sogar der Ausgang der Geschichte schon feststeht.
Dennoch habe ich die Geschehnisse rundum Gustav und Anton gerne gelesen. Langeweile kam nicht auf, da eigentlich ständig irgendetwas passierte. Zudem versteht es die Autorin perfekt, Atmosphäre und Zeitgeist, verbunden mit der realen Schweizer Historie, direkt einzufangen und wiederzugeben. Bestimmte Verhaltens- und Handlungsweisen einzelner Figuren konnte ich allerdings nicht ganz nachvollziehen.
Wirkliche Empathie empfand ich tatsächlich nur mit Gustav, Anton blieb für mich blass und schwer zugänglich. Auch das Ende schien mir überhastet und aufgrund der großen Zeitsprünge lückenhaft. Hier hätten ein paar Sätze mehr zum echten Verstehen und Mitfühlen beitragen können.

Nichtsdestotrotz handelt es sich bei „Und damit fing alles an“ von Rose Tremain meines Erachtens um einen durchaus unterhaltsamen Roman über eine jahrzehntelange innige Freundschaft unter schwierigen Voraussetzungen und Bedingungen. Sensationen und Aha-Erlebnisse sollte man jedoch in diesem Werk nicht erwarten.
Der Originaltitel des Buches lautet übrigens „The Gustav Sonata“ und trifft in meinen Augen den Tenor des Buches auf den Punkt. Warum hat man ihn nicht in die Deutsche Ausgabe übernommen?