Beziehungen

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tochteralice Avatar

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Das ist der rote Faden in diesem Buch: Beziehungen unterschiedlicher Art: zwischen Eltern und Kindern, zwischen Eheleuten, unter Freunden - darauf basiert das gesamte Konstrukt des Buches.

Im Mittelpunkt stehen Gustav und Anton, die sich bereits in der Grundschule kennenlernen, wobei Gustav die eigentliche Hauptfigur ist, aus deren Perspektive die Geschichte kolportiert wird, wenn sie auch nicht nur in seiner Zeit spielt. Nein, auch davor, denn auch die Geschichte seiner Eltern hat eine Bedeutung für die späteren Entwicklungen.

Gustav ist ein Nachkriegskind, eigentlich ein während des zweiten Weltkrieges geborenes Kind, das jedoch in den Nachkriegsjahren aufwächst. Und zwar in der Schweiz, die ja neutral war. Es ist interessant, in diesem Roman zu erfahren, was die Neutralität bedeutet. Die britische Autorin Rose Tremain, die hier ein für sie ungewöhnliches Thema gewählt hat, hat wie immer hervorragend recherchiert. Denn Gustavs Vater Erich, ein Polizist, hatte sich durch sein Handeln am Arbeitsplatz, in eine gehörige Bredouille gebracht und war zu Tode gekommen. Gustav wächst also allein bei seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen auf und genießt seine Freundschaft zum musikalischen Anton, der in einer intakten Familie lebt. Eine Freundschaft mit vielen Facetten und einer klaren Rollenverteilung, die bis in das Erwachsenenleben hinein anhält.

Doch es ist nicht nur die Geschichte dieser Freundschaft, die das Buch ausmacht, auch wenn sie im Mittelpunkt steht, es sind - wie erwähnt - weitere Bindungen bzw. Kontakte unterschiedlicher Art, die sich drum herum ranken.

Ein außergewöhnliches Buch, das sich auf Themen einlässt, die für eine britische Autorin durchaus gewagt zu sein scheinen, angesichts der Erfahrung dieser Autorin jedoch hervorragend von ihr gemeistert werden. Nein, es ist etwas anderes, das mich störte - stellenweise fehlte mir dann doch eine durchgehende Zielführung und die Erzählweise kam ab und an ein wenig fahrig rüber.

Dennoch lesenswert wie jedes Buch von Rose Tremain, schon des Themas und vor allem der Charaktere wegen, die aus meiner Sicht eine Stärke der Autorin sind. Rose Tremain entwickelt wunderbare Figuren, die lebendig und greifbar sind, sich im Kopf des Lesenden und vor seinen Augen klar entwickeln, also zum Kopfkino einladen. Für historisch Interessierte und Tremain-Fans also definitiv ein Muss!