Gustav und das Leben wie es wird

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Das neue Buch von Rose Tremain erzählt von der Freundschaft der ungleichen Jungen Gustav und Anton. Schauplatz ist Matzlingen, ein kleiner Ort im Herzen der Schweiz. Hier wächst der kleine Gustav ohne Vater auf, mit seiner Mutter Emilie, die verbittert den alten Zeiten nachhängt und unfähig ist ihr Kind zu lieben. Gustav lernt schnell sich weitestgehend allein durchs Leben zu schlagen, einen harten Kern aufzubauen. Freude bereitet ihm die neue Freundschaft zu Anton mit seinen wohlhabenden, jüdischen Eltern. Die zwei Buben erleben eine unbeschwerte Urlaubszeit in Davos, von deren Erinnerungen sie ein Leben lang zu zehren scheinen. Gustav steht hier im Mittelpunkt. Tremain schuf mit viel Feingefühl einen herrlichen kleinen Jungen, dessen Regungen und Gedanken absolut glaubwürdig und reizend dargestellt sind.
Der zweite Teil des Romans befasst sich mit Emilies Geschichte. Der Leser erfährt wie sie ihren Mann kennenlernte, welche Schicksalsschläge sie erfahren musste, um schließlich diese unliebsame Person zu werden, die sie ist. Vieles in diesen Episoden ist schmerzlich durchzogen von einer traurigen Schwere und man erfährt so manches über das neutrale Verhalten der Schweiz während der Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg.
Die letzten Kapitel machen einen großen Zeitsprung und schildern das Leben von Gustav und Anton im Erwachsenenalter mit etwa 50 Jahren. Was haben sie erreicht? Oder eben nicht erreicht? Was macht sie glücklich? Was wollen sie noch vom Leben in der Lebensmitte? Beide sind noch immer eng miteinander verbunden, besonders für Gustav scheint der Freund alles zu sein. Als Anton eine große Enttäuschung erlebt, kann er sich am Ende dank Gustav doch wieder glücklich schätzen.

Diese Geschichte lebt von der Erzählkunst seiner Autorin. Tremain schreibt nichts Überflüssiges und sie verleiht jedem Charakter ein unverwechselbares Wesen. Besonders Gustav ist mir ans Herz gewachsen, nicht nur als Kind sondern später dann als aufgeräumter Erwachsener. Obwohl das Buch durchzogen ist von Melancholie und einiges an Lebensleid, ist es zart, mitreißend und unterhaltsam.