Unterhaltung nach bewährtem Muster

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Carmen Korn nimmt uns mit auf eine Reise durch die 50er Jahre im Auftaktband ihrer neuen Drei-Städte-Trilogie, in deren Mittelpunkt die Familien Aldenhoven und Borgfeldt stehen, die ihre Heimat in Köln, Hamburg und dem italienischen San Remo haben. Den Leser erwarten viel Familiengeschichte, Alltag, kleine und große Sorgen und das unaufhörliche Ticken der Zeit.

Wer Carmen Korns Jahrhundert-Trilogie bereits kennt, dem kommt in diesem Band einiges schon fast unheimlich vertraut vor – Und die Welt war jung zu lesen, ist fast wie nach Hause kommen – das hat sein Gutes, aber leider auch ein paar Schattenseiten. Der Aufbau des Romans ist identisch mit dem der drei Bände rund um die Hebammen in der Finkenau. Wir begleiten die Familien an ihren Heimatorten durch die Jahre, schlaglichtartig wird der Blick des Lesers auf einzelne Tage innerhalb des Jahresverlaufs gerichtet, an denen sich an den drei Orten die Handlung entwickelt. Diese wohlbekannte Art des Handlungsaufbaus führt trotz ihres fragmentarischen Charakters nicht dazu, dass der Leser den Eindruck hat, wichtige Teile des Geschehens zu verpassen. Gewählt wird dieser „Highlight-Stil“ von Carmen Korn wohl, weil es so möglich scheint, Längen im Erzählten zu vermeiden, leider gelingt dies, besonders im Hamburger Strang, der sich schier endlos um das Thema der von Schuldgefühlen geplagten Schwiegermutter zu drehen scheint, nur bedingt.

Die Figurenzeichnung erscheint – ebenfalls wie bei der Jahrhundert-Trilogie – recht alltäglich. Es entsteht zumindest auf den ersten Blick der Eindruck es mit authentischen, lebenden Personen zu tun zu haben, allerdings sind die Figuren zumeist auch alle recht einfach konzipiert und eine etwaige Tiefe entsteht hauptsächlich aus einem traumatischen Kriegs- oder Lebensereignis, an dem sich auch mit teilweise großer Beharrlichkeit festgehalten wird. Der Figurenkosmos, den der Roman aufspannt, ist dabei sehr umfassend. Obwohl ich den Roman fast in einem Rutsch durchgelesen habe, musste ich mir immer wieder bewusst klar machen, was zu Hamburg, was zu Köln gehört. Größere Lesepausen sollte man sich hier eher nicht gönnen. Außerdem gibt es in der Figurenkonstellation und -anlage zwei Punkte mit denen ich hadere: zum einen störte mich massiv, wie sich alles so wunderbar am Ende zusammenfügte – ich bin durchaus eine Verfechterin von glücklichen Schicksalen, aber hier war es mir einfach zu viel und zu überraschungsarm. Ich las ab einem gewissen Punkt nur noch, um meine Vermutungen bestätigt zu bekommen. Zum anderen erschien mir die Figurenanlage etwas eindimensional. Der Roman behandelt die Nachkriegszeit in Deutschland und Italien, seine Figuren sind aber ausschließlich Opfer der NS-Zeit und des Krieges: traumatisiert, ausgebombt, um die vergangene Zeit, die psychische und physische Gesundheit betrogen. Von den Tätern ist fast kaum eine Spur zu finden. Eine Personalisierung des verbrecherischen Regimes auf der Ebene der Hauptfiguren erfolgt nicht. Diese Entpersonalisierung kann eine bewusste Wahl der Autorin sein, um die Entmenschlichung der Diktatur zu unterstreichen, erscheint aber möglicherweise etwas zu unrealistisch und simplifizierend im Kontext eines Romans, der das Nachkriegsdeutschland beschreibt.

Stilistisch bleibt sich Carmen Korn treu. Sie blickt in ihre Figuren und neigt dabei zu vielen, elliptischen Sätzen. So liest sich dieser vorwiegend unterhaltende Roman sprachlich ansprechend und gerät nicht zu einfach. Dabei flicht Korn immer wieder Nostalgie-Momente und Lokalkolorit, sowie genaueste Orts- und Geschichtskenntnis ein. Das funktioniert sehr gut, manchmal erschienen mir die Fünfziger Jahre dennoch etwas sehr modern und der politische Kontext zu beiläufig. Richtig schön sind die kleinen Querverweise in die Welt der Jahrhundert-Trilogie, die sich natürlich nur nach der Lektüre der drei Bände erschließen. Man muss diese aber nicht gelesen haben, um sich durch Carmen Korns neues Werk unterhalten zu fühlen.

Insgesamt ist der Roman eine unterhaltsame Lesereise in die Nachkriegszeit, auf die ich mich sehr gefreut habe und die mir schöne Lesestunden beschert hat. Der Text baut solide auf dem bewährten Muster auf. Da liegt allerdings auch die Krux des Buches – für meinen Geschmack ist etwas zu bewährt und eingefahren. Viele Versatzstücke und Handlungselemente sind schon bekannt und erscheinen so wie eine Variation. Wenn die neue Trilogie nur das Universum der Jahrhundert-Bände erweitern soll, dann ist der Roman sehr gut gelungen, wenn es aber um eine Weiterentwicklung und Erneuerung geht, dann ist „Und die Welt war jung“ zu vorhersehbar und etwas betulich ausgefallen.