Jahrzehnt des Aufschwungs

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Am 1. Januar 1950 beginnt das erste Jahrzehnt nach den Kriegswirren. Heinrich und Gerda begrüßen es in Köln, in Gedanken sind sie bei Gerdas Freundin Lilleken und ihrer Familie in Hamburg. Heinrichs Schwester Margarethe feiert im fernen San Remo. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die drei unterschiedlichen Familien ihre Leben neu begonnen. Heinrich hat eine Kunstgalerie und setzt alles daran, Bilder eines vertriebenen Judens zusammenzutragen. Unterstützt wird er von seiner Tochter Ursel. In Hamburg wartet man seit Jahren auf den als vermisst geltenden Mann und Schwiegersohn. Nina hofft fast so sehr wie ihre Mutter, dass Jockel irgendwann heimkehrt, zweifelt aber immer öfter. Als sie den Engländer Vinton kennenlernt, muss sie eine Entscheidung treffen, wie ihr Leben weitergehen soll. Einfacher scheint das Leben im sonnigen Italien. Margarethe leidet allerdings unter der Dominanz ihrer Schwiegermutter.

Carmen Korn lässt in diesem Roman die 50-er Jahre lebendig werden. Mittels dreier Familiengeschichten vermittelt sie den Zeitgeist, der durch den wirtschaftlichen Aufschwung und der damit verbundenen Aufbruchsstimmung hervorgerufen wurde. Die Figuren verbindet ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das durch Verwandtschaft oder Freundschaft entstanden ist. Jede Figur trägt ihr Teil dazu bei, dass man sich als Leser in die Situation einfühlen kann. Man leidet mit Margarethe, wenn die Zia sie wieder bevormundet, und man fühlt besonders die Qual von Nina und Elisabeth, wenn sie nach neun Jahren die Hoffnung loslassen müssen, um ihr Leben fortzuführen. Zudem erreicht sie ein Brief in kyrillischer Schrift, der vermuten lässt, dass der Vermisste nicht mehr am Leben ist. Man kann für jede Seite Empathie empfinden, was das Leseerlebnis intensiviert. Die Figuren wirken sympathisch, sodass bei jedem Handlungsstrang die Neugier aufs Weiterlesen geweckt wird.

In Hamburg, Köln und San Remo sind die drei Familien so platziert, dass sie die Charakteristik der Umgebung spiegeln. Wenige Ausdrücke im jeweiligen Dialekt verstärken dieses Lokalkolorit. Ein temporeicher Erzählstil mit lebendigen Dialogen trägt dazu bei, dass man sich in die Zeit zurückversetzt fühlt. Wer bereits die Jahrhundert-Trilogie gelesen hat, wird sogar zwei Bekannte wiedererkennen. Die 50-er Jahre werden vom ersten bis zum letzten Tag beschrieben, wie sie in den Familien damals wahrgenommen wurden. Man hatte wieder Hoffnung, wollte den Krieg hinter sich lassen und fing wieder an, das Leben zu genießen. Entscheidungen wurden neu überdacht und manch einer ergriff die Chance der Veränderung. Auch dieses Gefühl wird zwischen den Zeilen transportiert.

Carmen Korns Familienroman stellt drei Familien in den 50-er Jahren in den Mittelpunkt. Es geht um Kunsthandel, Kriegsgefangenschaft und italienische Schwiegermütter. Das Jahrzehnt voller Hoffnung und Umbruch ist mit interessanten Figuren nachfühlbar beschrieben. Der erste Band des Zweiteilers lässt auf Vorfreude auf den nächsten aufkommen. Die Familiengeschichte ist definitiv ein Lesetipp, um sich stundenlang in eine Welt zu versetzen.