Helen hätte gern nicht Bescheid gewusst...

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Als die „Ocean Ranger“ am Valentinstag 1982 in der kanadischen Provinz Neufundlands sinkt, verliert Helen ihren Mann Cal O´Hara und sieht sich fortan allein mit dem Leben konfrontiert. Sie hat zu dem Zeitpunkt drei kleine Kinder und ist mit dem vierten schwanger...

Helen ist eine sehr willensstarke Frau, die es trotz aller Trauer um ihren geliebten Mann, der ihr „Fels in der Brandung“ war, schafft, ihr Leben ohne ihn fortzusetzen und ihre Kinder groß zu ziehen. Innerlich aber ist sie zerbrochen, hat den Tod ihres Mannes nie wirklich verwunden.

Neben ihr hat Cal´s Tod den Sohn John am meisten getroffen; seine drei Schwestern scheinen damit ein wenig besser klarzukommen.

Als ihr Sohn John ihr eröffnet, dass er in Island eine Frau geschwängert hat, die er kaum kennt, erteilt sie ihm nicht die gewünschte Absolution, sondern reagiert erst einmal nur mit mit den Worten „Ein Kind“. Doch eben dieses Kind stellt für beide einen Wendepunkt in ihren Leben dar – öffnen sie sich doch beide langsam ihren Gefühlen und lassen endlich neue, menschliche Wärme zu...

Lisa Moore hat mit Helen eine Protagonistin geschaffen, die zwiegespaltener nicht sein könnte: nach außen wirkt sie stark und fast schon unnahbar, aber innen sieht es ganz anders aus... Das macht sie aber umso menschlicher und authentischer.

Durch die verschiedenen Erzählstränge (vorrangig 2008 und 1982) erfährt der Leser viel über die Hintergründe der einzelnen Personen, auch über Jane, die von John geschwängerte Frau. Die Autorin verzichtet auf Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede, so dass man als Leser die Wahl hat, die Sätze entweder als Prolog, Monolog oder aber schlicht als Gedankengänge der einzelnen Personen zu beurteilen. Das gibt dem Leser Spielraum und hat mir bei diesem Buch sehr gut gefallen, weil es einfach gepasst hat. So wirkt es auf jeden anders und jeder kann individuell die Geschichte einordnen.

Auch dass sie nicht chronologisch erzählt, fand ich interessant. Eigentlich mag ich einen derartigen Stil nicht so gerne, aber hier hat es wieder sehr gut zur Geschichte gepasst; hätte gar nicht anders ein können im Grunde genommen.

Lisa Moore nähert sich dem Thema Trauer und Neuanfang sehr behutsam, nutzt an sich einfache Satzkonstruktionen und Worte – und trotzdem wirkt ihre Geschichte sehr eindringlich und hat mich tief beeindruckt.

Sie beobachtet sehr genau, schildert auch detailliert, aber ohne sich zu sehr in diesen Details zu verlieren. Ich hatte als Leser oft das Gefühl, ich kenne Helen und John, weil ich soviel über sie erfuhr, besonders über ihre Gefühle und Gedankengänge.

Ich hatte das Buch rasch durch und es wird wohl noch ein wenig "nachhallen" bei mir...

Mein Fazit: ein sehr schönes Buch, das zwar eher leise erzählt wird, aber dennoch eine starke Wirkung auf den Leser hat.