Von Einsamkeit und Liebe...

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parden Avatar

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Im Februar des Jahres 1982 werden bei einem Unfall auf einer Bohrplattform in der kanadischen Provinz Neufundland 84 Menschen vom Atlantik verschluckt. Helen, die zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt und schwanger ist, verliert ihren Mann Cal und muss nun vier Kinder alleine großziehen. Aller Trauer zum Trotz gelingt es ihr, den Zusammenhalt der Familie zu bewahren und Stärke zu demonstrieren. Innerlich aber bleibt sie gebrochen und kann den Tod ihres Mannes nicht überwinden. In Gedanken kehrt sie immer wieder zu Cal zurück und versucht sich vorzustellen, wie seine letzten Augenblicke ausgesehen haben.
Als ihr ältester Sohn ihr unerwartet eröffnet, dass eine Frau, mit der er nur eine kurze Affäre hatte, ein Kind von ihm erwartet, wird diese Nachricht auch in Helens Leben zum existentiellen Wendepunkt. Denn so wie John riskiert auch sie eine neue menschliche Nähe und ein neues Versprechen von Glück...

Helen lebt in zwei Welten. Einerseits fest verankert in der Gegenwart, bewältigt sie die Anforderungen des Alltags, wobei die Aufgaben und Begegnungen des Alltags eine tröstliche Kontinuität schaffen - und lebt andererseits stets auch in der Vergangenheit, geprägt von dem schweren Verlust. Doch diese Welt versucht sie vor ihrer Umgebung verborgen zu halten...
Helen ist eine unglaublich sensible Figur, deren Schutzpanzer immer kurz davor ist, rissig zu werden, auch wenn ihre Worte und Handlungen über ihre Verletzlichkeit hinwegzutäuschen scheinen. Dabei schafft es die Autorin, die Einsamkeit nicht rührselig, kitschig oder sentimental zu schildern, sondern kreiert treffende, behutsame Bilder.

Erzählt wird die Geschichte zum einen aus der Sicht Helens, zum anderen aber aus der ihres Sohnes John, dessen Welt auf den Kopf gestellt wird, als er erfährt, dass er Vater werden soll. John ist von Helens vier Kindern am stärksten durch den Tod des Vaters gekennzeichnet. Er hat große Angst, sich zu binden und sich dadurch so verletzbar zu machen, wie er es bei seiner Mutter miterlebt hat.
John veliert seinen Vater - und wird selbst Vater. Und beide Ereignisse fallen in den Februar...

Die beiden Handlungsstränge des Buches sind dabei nicht chronologisch angeordnet, was den Lesefluss aber keineswegs behindert. Es macht im Gegenteil deutlich, dass Zeit nur ein relatives Phänomen ist.
Lisa Moore schreibt hierzu selbst: "Während eines einzigen Tages leben wir in so vielen verschiedenen Zeiten: vor zehn Jahren, vor zwei Minuten, letzten Monat, sie fließen alle ineinander und entscheiden mit, wie man den nächsten Moment erlebt."

Dies ist ein Buch der leisen Töne, voller Verständnis für die Einsamkeit menschlichen Lebens, aber gleichzeitig auch zutiefst lebensbejahend.
In jedem Fall empfehlenswert!