Wilder Ritt auf der MS Rjúkandi

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krabbe077 Avatar

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Simone Buchholz ist vor allem durch ihre Krimis der Chastity-Riley-Reihe bekannt. Für mich war „Unsterblich sind nur die anderen“ das erste Buchholz-Werk, da Krimis eher selten den Weg auf meinen Bücherstapel finden. Klappentext und Cover haben mich aber direkt neugierig gemacht und ich gewann schnell den Eindruck, dass Simone Buchholz hier ihre gewohnten Gefilde verlässt und mit dem vorliegenden Roman ihrer Experimentierfreude freien Lauf lässt. Dieser Eindruck hat sich im Verlauf der Lektüre weiter bestärkt.

Die Geschichte handelt von Iva und Malin, deren Freunde Tarik, Mo und Flavio Urlaub auf Island machen, sich aber auch nach mehreren Wochen nicht mehr zurückmelden. Die beiden Freundinnen sind besorgt und beschließen ihnen nachzureisen. So begeben sie sich auf die MS Rjúkandi, eine Fähre die Dänemark und Island verbindet. Auf dem Schiff sind seltsame Dinge zu beobachten, so z.B. die beeindruckend gutaussehende Crew oder die geheimnisvolle Aura des Kapitäns. Iva, aus deren Sicht wir die Reise größtenteils erleben, schmeißt sich direkt zu Beginn Tabletten gegen die Seekrankheit, welche ihre Sinne benebeln. So weiß der Leser lange Zeit nicht, ob sich die merkwürdigen Vorgänge an Bord wirklich so begeben, oder sie auf die beeinträchtigte Sinneswahrnehmung der Protagonistin zurückzuführen sind. Nach einigen Tagen begegnen die beiden schließlich ihren vermissten Freunden, die sich sehr auffällig verhalten. Nach und nach wird deutlich, dass Tarik, Mo und Flavio mittlerweile auch zur Crew gehören und sich nicht mehr von Bord der MS Rjúkandi begeben können. Auch die faszinierend attraktive Aura der Crew umgibt mittlerweile die drei Freunde. Schließlich werden auch Iva und Malin Teil des Schiffs oder der Crew und haben außergewöhnlich viel Sex mit anderen Crewmitgliedern, was an Bord der MS Rjúkandi als “segeln” bezeichnet wird. Während der Vorkommnisse an Bord entwickelt sich eine innige Bindung zwischen Iva und dem Kapitän und nach und nach erfährt Iva und damit auch der Leser mehr über die Umstände und Hintergründe des Schiffs und seiner Belegschaft.

In weiten Teilen liest sich der Roman wie ein extensiver Drogentrip: es wird getrunken, getanzt, “gesegelt” und niemand weiß so richtig was sich eigentlich abspielt. Immer wieder gibt es Einschübe und stilistische Variationen wie die Tagebucheinträge des Kapitäns, Gespräche zwischen den Göttinnen, über die wir lange im Vagen bleiben und am Ende gar ein Drama in drei Akten. Über weite Strecken hat die Autorin damit meine Neugier angesprochen, so ganz überzeugt bin ich am Ende aber doch nicht. So ansprechend ich die düstere Stimmung zunächst fand, im Ganzen bleibt mir die Geschichte doch zu unklar. Wie genau kam es zu dem Deal zwischen den Göttinnen und dem Kapitän und seiner Crew? Wie geht es mit dem Schiff am Ende weiter? Was hat es eigentlich mit dem Hotel in Dänemark auf sich? Und worin besteht der Zusammenhang zwischen den Szenen zu Beginn und Ende des Buches und der eigentlichen Geschichte? Ich denke, die Liste an offenen Fragen ließe sich noch weiterführen und wahrscheinlich ist das sogar so beabsichtigt. Ein bisschen mehr Klarheit hätte ich mir aber doch gewünscht. Die Experimentierfreude von Simone Buchholz hat mir aber durchaus gefallen und ich hoffe auf weitere wilde Romane, jetzt wo ihre berühmte Krimi-Reihe für beendet erklärt ist.