Beeindruckende Rechercheleistung

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waschbaerprinzessin Avatar

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Vorab eine Warnung an alle Fußballfans: „Unter Ultras“ ist kein Buch über Fußball. Es ist ein Buch über Politik, über Geschichte und vor allem ein Buch über Menschen. Über Menschen auf der ganzen Welt und darüber, warum sie Dinge tun, die für viele Außenstehende schwer zu begreifen sind, zum Beispiel in einer Gruppe in einen Wald zu fahren, um sich dort 30 Sekunden lang mit einer anderen Gruppe bis zur Bewusstlosigkeit zu prügeln. Der Frage nachgehend, was es eigentlich bedeutet, ein Ultra zu sein, besucht James Montague 25 Länder und spricht mit Hunderten von Menschen. In seinem Buch nimmt er die Lesenden mit auf seine Reise von Kroatien über Argentinien, Brasilien, die Türkei und die Vereinigten Staaten bis hin nach Indonesien. Und das sind nur einige seiner zahlreichen Stationen auf der Suche nach den extremsten Fans der Welt und ihren Beweggründen. Diese erweisen sich als äußerst vielfältig: Den wenigstens scheint es ausschließlich um die Liebe zu einem Verein oder zum Sport zu gehen. Vielmehr geht es um Gemeinschaft, um politische Botschaften, um Einfluss und Macht und manchen auch einfach nur um den Adrenalinkick und die Schlägereien.

Montagues Rechercheleistung ist beeindruckend. Es gelingt ihm, sich Zugang zu einer Welt zu schaffen, die Journalisten wie ihm nur selten Zugang gewährt. Dabei riskiert er nicht selten sogar sein eigenes Leben, sei es, indem er mit zu einem Duell fährt, von einem potenziellen Gesprächspartner fast in eine Falle gelockt wird oder auf einer indonesischen Autobahn von einer Horde Macheten schwingender Ultras angegriffen wird. Neben interessanten Informationen und Erfahrungen, die er unterwegs sammelt, liefert der Autor auch eine Menge Hintergrundinformationen, die stets mit Fußnoten belegt sind, sodass man bei Interesse selbst weiterlesen kann. Leider ist es bei der Fülle an Fakten oft schwierig, den Überblick zu behalten. Montague trifft so viele Menschen, nimmt so viele Vereine und ihre verschiedensten Ultragruppierungen in den Blick, dass man gelegentlich zurückblättern muss, um nachzuschlagen, von wem genau gerade die Rede ist, insbesondere, wenn zusätzlich noch Spitznamen verwendet werden. Dass die Ereignisse nicht immer chronologisch erzählt werden, sorgt für zusätzliche Verwirrung.

Insgesamt bietet „Unter Ultras“ dennoch einen spannenden Einblick in verschiedenste kulturelle Welten abseits des Spielfelds, der sich zu lesen lohnt. Man sollte dafür jedoch eine gewisse Ausdauer mitbringen.