Anspruchsvolle Unterhaltung

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anonymous Avatar

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Gail, Anwältin und Perry, Dozent für Literatur, ein junges Paar machen Tennisurlaub auf Antigua und lernt dort den Oligarchen Dima und seine Familie kennen. Dima, Russe, Geldwäscher und Angehöriger der sogenannten Wory, hat Perry auserwählt ihm dabei zu helfen, dem englischen Geheimdienst Informationen zukommen zu lassen.
Perrys Aufgabe: Kontakt zum englischen Geheimdienst herstellen und für Fairness zu sorgen.

Perry möchte Gail schützen und sie bei der Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst außen vor lassen. Gail fühlt sich hintergangen, nicht ernst genommen, zweifelt an der Beziehung zu Perry. Eine problematische Situation die immer wieder für Spannung sorgt.
Perry selber ist unzufrieden mit seinem Job als Dozent, spielt mit dem Gedanken problematische und benachteiligte Jugendliche zu unterrichten.

Luke, Mitarbeiter des englischen Geheimdiensten ist verheiratet, hat einen Sohn, wurde in Bogota gefoltert und hatte Liebschaften mit anderen Frauen.
Immer noch für den Geheimdienst tätig, wenn auch nur noch im Büro, wird von Hector angeworben, um eine neu aufgebaute Abteilung zu unterstützen, die letztendlich für den Fall Dima zuständig ist.
Hector selber hat einen im Gefängnis sitzenden Sohn, auf den er besser nicht angesprochen werden sollte, den er jedoch zweimal wöchentlich besucht.

Zu Dimas Familie, gehören seine Frau Tamara, sie ist streng gläubig und wirkt im Laufe des Buches wie ein Schatten. Dann gibt es noch Natascha, Dimas aber nicht Tamaras sehr hübsche 17jährige Tochter, die entweder reitet oder liest und zu der Gail eine ganz besondere Beziehung aufbauen, die für viel Spannung sorgen wird. Irina und Katja sind Schwestern und die Töchter von Dimas vor kurzem ermordeten Freund Mischa, leben nach dem Tod ihrer Eltern bei Dima und Tamara. Und dann gibt es noch die beiden Zwillingsbrüder, die wahrscheinlich mehr wissen und mitbekommen haben, als für sie gut sein dürfte.

Dimas Plan: er liefert Informationen und im Gegenzug erhalten er und seine Familie ein neues Leben in England...


Den Verrätern auf der Spur...

Die Geschichte beginnt harmlos, fast ein wenig dahinplätschernd. Perry und Gail machen Urlaub, sie lernen Dima kennen und sind schon bald in eine Geschichte verwickelt, die sehr viel von ihnen und ihrer Beziehung abverlangt.
Lange weiß der Leser kaum worum es wirklich geht, wohin die Geschichte ihn führen wird und gerade darin liegt sehr viel Spannung.
Ich hatte beim Lesen immer wieder das Gefühl, dass sich die Handlung schon in der nächsten Zeile eine Wendung nehmen könnte, dass nichts wirklich so ist, wie es dargestellt wird. Ich schwebte im Ungewissen und lernte die Charaktere nacheinander kennen, las wie sie miteinander verwoben sind, welche Vergangenheiten sie haben und mit welchem Problemen sie aktuell zu kämpfen haben. Und eigentlich passierte in der Handlung kaum etwas, dennoch wies dieses Buch von der ersten bis zur letzten Seite eine enorme Spannung auf, die selbst nach dem letzten Satz nicht verloren ging, mich auch jetzt, nach dem Lesen noch nicht losgelassen hat.

Die Charaktere habe ich als sehr menschlich empfunden. Sie blieben nicht blass und dadurch das die Erzählperspektiven gewechselt wurden, hatte ich die Möglichkeit Passagen aus der Sicht von Perry, Luke oder Gail zu lesen. Zwar sind diese Perspektivwechsel etwas verwirrend und Abschalten ist beim Lesen dieses Buches nicht wirklich vorteilhaft, aber sie bieten die Möglichkeit, in die jeweilige Gedankenwelt einzutauchen.
Zu diesen Perspekivwechseln kommen Wechsel der Zeitformen hinzu, ebenfalls etwas verwirrend, aber durchaus sinnvoll um die Spannung zu steigern und der Geschichte eine Nachhaltigkeit zu verleihen. Ich habe öfter beim Lesen innehalten müssen, um mich zu vergewissern wer was wann sagte, dachte und machte. Dadurch das z.B. Perry sehr viel von dem was Dima ihm erzählte, zusammenfasste und es manchmal aus seiner Sicht schilderte, dann wieder aus der Sicht Dimas, mal in der 3. Person und mal aus der 1. Situation, wird dem Leser einiges an Konzentration und Geduld abverlangt. Ich hatte zu keiner Zeit des Lesens dieses Buches das Gefühl, mich ausruhen zu können. Sobald man mit seinen Gedanken abschweift, der Handlung nur noch halbherzig folgt, läuft man Gefahr, wichtige Zusammenhänge der Geschichte nicht mitzubekommen. Ein nebenbei erwähntes Detail, könnte dazu führen, dass das Folgende nur schwer verstanden wird. So habe ich das Lesen immer wieder nach wenigen Seiten unterbrochen, um mir Gedanken zu machen, was eigentlich geschehen ist und wenn ich das Gefühl hatte, dass ich etwas nicht in den Zusammenhang bringen konnte, habe ich einige Stellen noch einmal gelesen.

Die Verhörszenen in diesem Buch sind genial. Spannend, psychologisch durchdacht, perfekt konstruiert und klar dargestellt. Ein Genuß sie zu lesen und ein Erlebnis ihre Spannung zu spüren. Sie waren für mich mit das beste an diesem Buch.

Politiker sind korrupt. Wer es vor dem Lesen dieses Buches noch nicht wußte, der weiß es hinterher ganz sicher. Es gibt irgendwo da Draußen Menschen, meistens sind es Männer, die an den Strippen ziehen, die dirigieren, nicht nur mit legalen Mitteln. Die Schilderungen fand ich erschreckend und sie tragen schon dazu bei, dass man den Glauben an das Gute im Menschen durchaus verlieren könnte, sofern es denn noch vorhanden ist. Selbst wenn man sich nicht für Politik interessiert, kann man bei solch einer Lektüre die Gedanken daran nicht verhindern. Man stellt sich erschreckende Szenarien vor und spürt, dass diese von der Realität nicht so weit entfernt sind. Wenn jemand glaubt, dass das was um 20 Uhr in der Tagesschau gebracht wird, das allumfassende politische und wirtschaftliches Tagesgeschäft ist, der irrt und durch dieses Buch wird es einem noch einmal sehr deutlich bewußt.

Was mir an diesem Buch ebenfalls sehr gut gefallen hat, dass waren die Darstellungen von den zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Autor unterteilt nicht, wie es viele seiner Kollegen machen, in Gut und Böse. In jedem guten Menschen steckt auch ein böser und in jedem bösen Menschen ein guter, so wird die Aufteilung von gut und böse, wie ich finde, in diesem Buch ad absurdum geführt. Besonders ist mir das bei der Figur des Dima aufgefallen. Ein Mörder, ein skrupelloser Geschäftsmann, ein Mann der jederzeit wieder töten würde, wenn er es für richtig hielt. Beim Lesen vergaß ich das manchmal und es gab Phasen in denen er mir fast schon leid tat.

Für eine besonders große Spannung in diesem Buch sorgte die Beziehung zwischen Gail und Natascha. So wirklich erfährt man nicht wie diese zustande gekommen ist und auch nicht was sie genau ausmacht, dennoch ist sie vorhanden und das spürt man als Leser.

Natürlich möchte man als Leser wissen ob Dima denn nun wirklich aussagen wird, ob der englische Geheimdienst ihn und seine Familie einreisen läßt, ob nicht irgendwelche Intrigen geschmiedet werden, es irgendwelche Doppelagenten gibt, ob jemand mehrgleisig fährt. Ich habe beim Lesen jeder Figur mißtraut, was das Lesen für mich besonders reizvoll machte. Ich habe nach irgendwelchen Ansätzen gesucht, die darauf hinweisen, dass jemand ein falsches Spiel spielt. Sehr interessant.

Irgendwann als ich mich dem Ende des Buches näherte, machte ich mir Gedanken darüber, wie es wohl ausgehen könnte. Für mich gab es eigentlich nur eine Möglichkeit, wie man die Geschichte ausgehen lassen könnte, alles andere wäre kitschig gewesen und der vorangegangenen Handlung unwürdig. Das Ende kam meinen Erwartungen nahe und bietet sehr viel Diskussionsstoff. Die Geschichte ging in meinem Kopf unweigerlich weiter.
Ich werde aber natürlich nichts über das Ende des Buches erzählen, mich würde allerdings interessieren wie es diejenigen, die das Buch schon gelesen haben, finden.

Den Stil des Buches habe ich als neutral empfunden, manchmal vielleicht etwas unterkühlt, was dem Roman aber eine besondere Atmosphäre gegeben hat. Wie ich schon erwähnte, habe ich das Buch nicht als ein leicht und nebenbei lesbares Buch empfunden. Zwischendurch kam es mir schon ein wenig wie Gehirnjogging vor, was ich als sehr positiv empfinde und was meiner Meinung nach sehr für das Buch spricht. Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen und bin der Meinung, dass es auch mehrmals sehr lesenswert sein könnte, da es bestimmt einige Zusammenhänge gibt, die selbst bei einem sehr aufmerksamen ersten Lesen, überlesen werden könnten.

Zuletzt noch ein paar Wörter zur Aufmachung dieses Romans, einen Bereich dem ich mich eigentlich nie sonderlich widme, da mich der Inhalt mehr interessiert als das Äußere und mir es auch ziemlich egal ist, ob es sich um eine Taschenbuch- oder Hardcoverausgabe handelt. Was ich aber bei "Verräter wie Wir" nicht unerwähnt lassen möchte, ist die Dicke der einzelnen Seiten, die ich für vollkommen unnötig finde. Sicherlich ist die Aufmachung nett, schaut sogar recht edel aus, aber müssen die einzelnen Seiten auf Papier gedruck werden, das beinahe Kartonstärke hat? Ich denke nicht und finde dieses auch nicht gut. Ein weniger dickes Papier hätte es doch auch getan.



Mein Fazit

Ein sehr spannendes, unterhaltsames, nachhaltiges Buch, das den Leser fordert und etwas Geduld abverlangt. Sehr interessante Figuren begegnen dem Leser, sehr gute Verhörszenen und zwischenmenschliche Beziehungen. Es regte zum Nachdenken an und geht nicht spurlos an mir vorbei.
Ein idealer Roman um sich mit ihm auf´s kuschelige Sofa zu setzen, eingemummelt in eine Decke, ausreichend Tee und Gebäck auf dem Tisch, dem Winter, den niedrigen Temperaturen trotzen und sich von John le Carrés Erzählkünsten verführen zu lassen.
In diesem Sinne wünsche ich euch warme und unterhaltsame Lesestunden.