Reale Fiktion

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buchina Avatar

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Ein Universitätsdozent Perry und eine erfolgreiche Anwältin Gail im Urlaub auf Antigua. Beide könnten mit ihrem gemeinsamen Leben glücklich sein, aber irgendwas fehlt. Das Irgendwas tritt dann überraschend schnell in ihr Leben, in Form von Dima, einem russischen Geldwäscher. Dieser ist mit seiner Familie nach Antigua gereist, um eine Möglichkeit zu finden, sich und seine Familie zu retten. Denn sein Stern innerhalb der russischen Mafia ist im Absturz begriffen.  Hilfe erhofft sich von Perry. Er soll mit dem britischen Geheimdienst in Kontakt treten und einen Deal aushandeln. Gail und Perry haben nun ihr gewünschtes Abenteuer, in das sie schneller als sie denken immer tiefer rutschen.

Während der ersten ca. 100 Seiten des Romans ist Konzentration gefragt. Sehr ausführlich zeichnet der Autor seine Protagonisten und erzählt die Handlung in Rückblicken, getragen durch ein Verhör. Dementsprechend ist der Sprachstil, typisch für le Carré sehr sachlich und nüchtern. Nachdem die Handlung so langsam dahinplätschert und man immer mit dem schlimmsten rechnet, gewinnt sie nach und nach immer mehr an Fahrt. Der Spannungsbogen steigt nach einer langen Ruhephase steil an. Wobei die Charaktere Gail und Perry dabei ein wenig an Tiefe verlieren. Im Gegensatz dazu die Person Dima, die trotz ihrer verbrecherischen Vergangenheit immer sympathischer wird.  Die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen. Und wenn man le Carré kennt, kann man sich schon auf den letzten Metern das Ende gut vorstellen. Deshalb richtig überrascht war ich nicht.

„Verräter wie wir“ ist ein sehr gut geschriebener Roman, der hinter den alltäglichen Wahnsinn der mafiösen Strukturen und ihre Vernetzungen in die Politik aufzeigt. Anspruchsvolle Kost, bei der man aufmerksam lesen muss, um diese Strukturen und den Verrat zu verstehen. Da le Carré gut recherchiert und die Wirklichkeit gern als Inspiration nimmt, kann man nur noch mit großer Skepsis die Nachrichten verfolgen. Empfehlenswert für alle, die komplexe Krimis mögen, aber nicht für Thriller-verwöhnte Leser, da sich die Spannung doch sehr langsam aufbaut.

Im Gegensatz zu vielen anderen Meinungen muss ich deutliche Abstriche bei der Verarbeitung des Buches machen. Von außen sieht es edel aus mit schicken goldenem Einband. Aber alles nur Schein, die Seiten sind aus dickem billigem Papier, schlecht geschnitten mit rauen Kanten. Das Buch soll eindeutig gewichtiger wirken als es ist. Da Bücher für mich Gesamtkunstwerke sind, ist dies auch ein wichtiger Kritikpunkt.