Verräter

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buecherfan.wit Avatar

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Perry Makepiece, Anglistikdozent aus Oxford und seine Freundin Gail Perkins, eine aufstrebende junge Juristin, machen Tennisurlaub auf der Karibikinsel Antigua. Sie brauchen etwas Abstand, um zu entscheiden, wie es privat und beruflich mit ihnen weitergehen soll. Bei einem Tennismatch lernen sie den Russen Dima kennen, der dort ebenfalls mit seinen Bodyguards und seiner weitverzweigten Familie Urlaub macht. Dima ist ein russischer Mafioso, der sich nach Jahren im Gulag an die Spitze der Geldwäscher hochgearbeitet hat. Er hat jedoch Feinde in den sieben Bruderschaften und weiß, dass er mit der Unterzeichnung der Abtretungsurkunden in Bern sein eigenes Todesurteil unterschreibt. Immerhin ist kurz vorher sein Freund und engster Mitarbeiter Mischa mit seiner Frau, Dimas Schwägerin Olga, im Auftrag seines Nachfolgers, des “Prinzen”, liquidiert worden. Um sich und seine Familie zu schützen, beschließt er überzulaufen. Er wählt Perry und Gail aus, die den Kontakt zum britischen Geheimdienst knüpfen und einen Deal für ihn aushandeln sollen: ein sicheres Leben für ihn selbst und seine Familie gegen wertvolle Informationen über die Russenmafia, Geldwäsche und die Verwicklung europäischer, insbesondere englischer Politiker und Banker in illegale Geschäfte und Korruption. Perry und Gail lassen sich auf diesen Vorschlag ein, vor allem, weil sie Zuneigung zu Dimas schöner Tochter Natascha und seinen beiden verwaisten Nichten gefasst haben.

In den Verhören durch die Geheimdienstagenten Hector und Luke erfährt der Leser, welche Art von Informationen Dima anzubieten hat. Perry und Gail werden außerdem auf ihre Kontakte mit Dima in Paris bei den French Open und in Bern vorbereitet. Hector und Luke sind Außenseiter im britischen Geheimdienst: nicht mehr ganz dabei, aber auch noch nicht draußen. Hector wird mit Sonderaufgaben betraut, und Luke hatte sein Karriereende eigentlich schon erreicht, nachdem er seinen letzten Auftrag in Bogotá vermasselt hatte. Beide sind sympathisch dargestellt, vor allem Hector, der offensichtlich die Position des Autors vertritt. Sie sind noch Agenten der alten Schule, lieben die altehrwürdige Institution des Secret Service und sehen mit Verbitterung, dass der Geheimdienst sich auf Machtspielchen und Kungelei einlässt, vor allem Beeinflussung durch die Mächtigen und Reichen hinnimmt, sobald es um viel Geld geht. So ist es nicht verwunderlich, dass Hector lange kämpfen und viel Überzeugungsarbeit bei seinem Vorgesetzten und den übergeordneten Gremien leisten muss, bis ein Deal zustande kommt.

“Verräter wie wir” ist ein Roman über Täuschung und Verrat, kein Thriller mit oberflächlicher reißerischer Spannung. In seinem zweiundzwanzigsten Roman offenbart John le Carré seine Wut und Verbitterung über den allgemeinen Werteverfall und den Zustand der Welt. Mafiöse Strukturen haben die westlichen Demokratien unterwandert, und moralisch-sittliche Erwägungen spielen keine Rolle mehr angesichts der Aussicht auf Milliardenprofite durch schmutziges Geld. Das spannende Finale legt nahe, dass sich der Titel auf mehr als einen Verräter bezieht.

Trotz einiger Längen auf den ersten 100 Seiten liest sich der Roman gut. Die meisten Figuren sind sorgfältig charakterisiert, die Dialoge treffend. Dimas mangelhafte Beherrschung der englischen Sprache ist auch in der deutschen Übersetzung als gelungener witziger Dialekt erkennbar. Die Begegnung der Spione mit den beiden unbedarften Engländern, die in eine gefährliche Schattenwelt hineingezogen werden, die sie nicht verstehen, ist besonders überzeugend. John le Carré verzichtet bis auf wenige Ausnahmen auf die direkte Darstellung von Gewalt, aber eine Atmosphäre von Gewalt und Bedrohung ist unterschwellig immer vorhanden - eine wirklich packende Geschichte.