Liebenswert und einfach schön

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Ein ziemlich klassisches Erzählmuster eines Feel-Good-Romans: Ein*e Protagonist*in, der/die das bisherige Leben als etwas verschrobene*r Einzelgänger*in gelebt hat, wird durch ein plötzliches, einschneidendes Ereignis aus der gewohnten Umlaufbahn gestoßen, lernt dadurch andere, auch etwas angeknackste Figuren kennen und kommt (mehr oder weniger freiwillig) in neue Situationen, die seine/ihre Sicht auf das Leben verändern und ihn/sie (wieder) Freude und menschliche Gemeinschaft erleben lassen.

In Gudrun Skrettings Roman ist diese Protagonistin Vilma, eine Klavierlehrerin, deren auf größtmögliche Risikovermeidung angelegtes Leben in einem ganz klaren, zum Teil zwanghaft anmutenden Rahmen verläuft, und deren soziale Kontakte sich auf ihre Musikschüler und eine Kollegin beschränken, bei der sie sich nach 13 Jahren fast täglicher Gespräche aber nicht sicher ist, ob sie sie vielleicht tatsächlich eine Freundin nennen könnte.
Nun erhält Vilma eines Tages Briefe von ihrem gerade verstorbenen Vater, den sie nie gekannt hat. Überbringer dieser Briefe sind ein Pfarrer in einer Glaubenskrise, und der Sektionsassistent Robert, der an Tourette leidet. Dazu kommt noch ihr Klavierschüler Amdi, der in Ermangelung eines häuslichen Musikinstruments in ihre Wohnung und ihr Leben stürmt, der sich als musikalisches Wunderkind erweist und mit der Hingabe Klavier spielt, zu der sich Vilma trotz aller Übung nie hinreißen lassen konnte.

So weit, so vorhersehbar und in den Grundzügen irgendwie bekannt, allerdings muss gerade eine Feel-Good-Geschichte das Rad nicht neu erfinden. Vielmehr geht es bei einem Wohlfühlroman ja darum, sich, wie Vilma quasi ohne großes Risiko, in eine sichere Geschichtenwelt zu begeben, mit den Figuren mitzufühlen und unterhalten zu werden.

Das gelingt in „Vilma zählt die Liebe rückwärts“ auf Anhieb, schließlich sind die Figuren alle so charmant und sympathisch charakterisiert und mit augenzwinkernder Leichtigkeit erzählt, dass man sie einfach gernhaben muss. Das Setting in der Vorweihnachtszeit in Norwegen trägt auch sehr dazu bei, es sich in der Geschichte gemütlich zu machen.
Auch hat der Roman deutlich mehr Tiefgang und ernste, berührende Themen, als es die Aufmachung des Covers und die Kurzzusammenfassung vermuten lassen, schließlich erfahren wir im Laufe der Geschichte, warum Vilma jeglichen Kontakt mit ihrer eigenen Fantasie vermeidet und warum sie ihren Vater nie kennengelernt hat. Diese Melancholie der verpassten Chancen stimmt traurig, wird aber von Gudrun Skretting einfühlsam und gleichzeitig hoffnungsvoll erzählt.

„Dem Tod aus dem Weg zu gehen ist nicht das Gleiche wie zu leben.“ Diese Erinnerung, das Leben zu leben, die Zeit die man hat zu nutzen, Freude und Glück nicht nur zuzulassen, sondern auch zu suchen, ist doch eine wunderschöne Botschaft.