Ein Roman, der das Potenzial zum Lese-Highlight des Jahres 2020 hat!

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cellissima Avatar

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"Violet" ist aus meiner Sicht Tracy Chevalier´s bester Roman. Es ist mein liebster Roman aus der Feder dieser Autorin. Und es könnte gut sein, dass ich mein Lese-Highlight 2020 mit "Violet" schon gleich zum Jahresbeginn gefunden habe ...

Die Geschichte spielt im Südengland der frühen 1930er Jahre. In ihrem Mittelpunkt steht die junge Violet Speedwell. Der Vater ist tot, der Verlobte und der Bruder sind im Ersten Weltkrieg gefallen ... schon deshalb hält sie es zu Hause in Southampton kaum noch aus. Doch es ist viel mehr noch ihre herrische und überaus schwierige Mutter, die ihr vollends die Luft zum Atmen nimmt. Violet sieht keinen anderen Ausweg mehr - sie bricht aus, zieht nach Winchester, baut sich ihr eigenes Leben auf. Sie hält trotz aller Widrigkeiten daran fest, kommt etwa mit sehr wenig Geld aus. Alles ist ihr lieber, als wieder zu ihrer Mutter zurückzukehren.

Tatsächlich fasst sie in Winchester Fuß, findet einen Job, tritt den Kathedralen-Stickerinnen bei, ist fasziniert von der Kunst des Glockenläutens, schließt Freundschaften. Violet lernt Freiheit und Glück kennen. Sie reift als Frau und als Mensch. Doch da sind zwei Frauen und ein Mann, die anders sind, die Violet mitreißen. Die nicht nur ihren guten Ruf gefährden, sondern ihr Leben tatsächlich für immer verändern werden ...

"Violet" ist hervorragend geschrieben und lässt sich ebenso lesen. Es ist eine Geschichte, die man einerseits nur so verschlingt, die man andererseits aber auch langsam lesen möchte und muss, damit man alles auf sich wirken lassen kann. Damit man sie länger genießen kann.

Dieser Roman ist so atmosphärisch, so bildhaft, dass man ihn förmlich atmen kann. Ich hatte das Gefühl, mit Violet in Winchester zu wohnen, in der Kathedrale zu sein, mit der Familie an der Kaffeetafel zu sitzen, die Sommerferien auf der Isle of Wight zu verbringen ...

Das Ende hat ein wenig überrascht, ist es doch nicht so detailliert wie der ganze Rest, sondern durchaus offen. Es bleibt der Phantasie des Lesers überlassen, wie genau das alles weitergeht und endet. Dennoch werden einige Andeutungen gemacht und eine grobe Richtung von der Autorin vorgegeben, sodass letztlich sowohl Freunde offener Enden als auch Freunde geschlossener Enden zufriedengestellt werden.

Insgesamt hat mich "Violet" sehr an "Vortreffliche Frauen" von Barbara Pym erinnert. Hauptfiguren, Schauplatz, Zeit, Thematik, Atmosphäre ... diese beiden Romane haben viel gemeinsam. Und beide sind großartig!

Fazit: Ein Roman, der durch Stille, Langsamkeit und Atmosphäre besticht, der so wunderschön wie eindringlich und bewegend ist. Ein Roman über die damalige Gesellschaft, Freundschaft, Liebe, Familie, Trauer, den Mut, auszubrechen, anders zu sein, Widrigkeiten zu trotzen, seinen eigenen Weg zu gehen, seinen Wünschen zu folgen und seine Träume zu verwirklichen. Und ein Roman über Schönheit und Kunst. Ein Roman, den man unbedingt lesen sollte!