Die Grande Dame der lateinamerikanischen Literatur

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toniludwig Avatar

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Vierzig Jahre nach ihrem grandiosen Debütroman >>Das Geisterhaus<< belohnt die Grande Dame der lateinamerikanischen Literatur, Isabel Allende, sich und ihre Leserschaft zu ihrem 80. (!) Geburtstag mit einem neuen Roman, welcher den Titel >>Violeta<< trägt.
Auch dieses Werk - mit dem gleichen Originaltitel in Spanien in diesem Jahr veröffentlicht - wurde erneut von Svenja Becker übersetzt und ist bei Suhrkamp erschienen.

In diesem Briefroman wird in vier Teilen über einen Zeitraum von 100 Jahren (!) der Spannungsbogen zu einem bewegten Leben eröffnet, von Violeta und ihrer Familie.

Der Roman beginnt in starken, einprägsamen Bildern des Lebens und Sterbens in Zeiten der spanischen Grippe, Parallelen zu Gegenwart sind durchaus gewollt.

Er findet seine Fortsetzung in der warmherzigen Aufnahme der Familie im Süden Argentiniens bei uneigennützigen Lehrern, die übers Land ziehen und ihr Wissen in Weilern und Bauerkaten in Wanderschulen an die Ärmsten des Landes weitergeben.

Dieser Ton des Romans jedoch wird nicht beibehalten, was an der Entwicklung Hauptfigur selbst liegt, die wider besseren Wissens eine freudlose und langweilige Ehe eingeht und zeitgleich einem Don Juan verfällt, der untreu ist, gleichwohl der Vater ihrer beiden Kinder wird und zu dem Violeta über Gebühr unerträglich lange Zeit idealisierend aufblickt, selbst als er profitablen kriminellen Geschäften nachgeht.

Die beiden Kinder entwickeln sich ausgesprochen unterschiedlich, doch die Liebe ihrer Mutter bleibt seltsam distanziert und gefühlsarm.
Wie überhaupt das Liebesleben von Violeta wahrlich nicht von Herzenswärme geprägt ist, auch wenn sie dies am Ende ihres Lebens gegenüber ihrem unsteten Enkel anders darstellt.

Die Protagonistin des Romans lässt dabei an allen gesellschaftlichen Ereignissen und Verhältnissen kaum ein gutes Wort, was durchaus der Realität entsprechen mag. Nur hinterlässt die politische Unkorrektheit besonders des Vaters ihrer Kinder ein ungutes Gefühl, bei der die Glaubwürdigkeit der Erzählung leider auf der Strecke bleibt.
Dies ist auch das Manko des als Briefromans angelegten Werkes : Indem Violeta ihre Gedanken niederschreibt, bleiben neben grandiosen Gedanken und Sätzen leider auch jene in Erinnerung, wie :>>Ich habe ihn immer bewundert, trotz seiner gewaltigen Fehler<< oder >>>>Hierzulande brach die Diktatur unter ihrem Eigengewicht zusammen, half ein gemeinschaftlicher Ruck ohne Gewalt und Lärm von unten nach ...<<.

Da scheint mir, hat Isabell Allende wohl zu viel gewollt und sich mit all ihren Figuren und Darstellungen von Gewalt, Vergewaltigung, Erdbeben, Colonia Dignidad, Korruption, den Indigenen und noch unendlich mehr ein wenig übernommen.
Dennoch - ein bildgewaltiges und unterhaltsames Epos bleibt es ungeachtet der Einwände schon und das Buch hätte vom Verlag allemal ein Lesebändchen verdient gehabt.