Das Leben ist kein Nullsummenspiel

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
miss marple 64 Avatar

Von

„Das Leben ist kein Nullsummenspiel.Es schuldet einem nichts, und die Dinge passieren, wie sie passieren.“ (S.299)
Jule, der schwerverletzt nach einen Motorradunfall im Krankenhaus liegt, erinnert sich an sein bisheriges Leben. Aufgewachsen mit zwei älteren Geschwistern verliert er im Alter von 11 Jahren seine Eltern durch einen Autounfall. Fortan leben die drei in einem staatlichen Internat -fernab einer Hanni-und Nanni Idylle- und müssen mit dem schmerzlichen Verlust jeder auf seine Weise zurechtkommen. Schon bei der Ankunft werden sie durch das Unterbringen in verschiedenen Etagen des Internats voneinander getrennt. Die räumliche Trennung hat auch zur Folge, dass keiner mehr aufeinander aufpassen kann, worunter vor allem Jule sehr leidet. Ein Lichtblick für ihn ist Alva, ein für ihn geheimnisvolles Mädchen. Mit den Jahren entsteht eine sehr enge Freundschaft, die jedoch kurz vor dem Schulabschluss ein jähes Ende nimmt. Jule, der bisher nur Verluste erleiden musste, auch seine Schwester wird er einige Jahre nicht wiedersehen, begibt sich auf einen Weg des Suchens nach der eigenen Bestimmung, nach Freundschaft, nach Liebe und kommt nirgendwo richtig an.
Vom weiteren Verlauf der Geschichte sei hier nicht mehr verraten, denn es wäre schade, dem Leser der Rezension alles vorwegzunehmen. Dieses Buch muss man selbst „erfühlen“, denn es nimmt seinen Leser mit auf eine Reise zu einer Geschichte, die aus dem Leben gegriffen ist. In ihrer Alltäglichkeit ist sie aber schon wieder etwas Besonderes, der Leser kann sich mit Wells Figuren identifizieren. Das gelingt dem Autor vor allem durch seine Sprache, die geprägt ist von Einfühlsamkeit, Liebe, Trauer, aber auch Hoffnung. Der Autor zeichnet Figuren mit der ganzen Bandbreite menschlicher Eigenschaften. Selbstbewusste junge Frauen, die herausfinden wollten, wo sie im Leben stehen und so manche gesellschaftliche Konvention brechen, wie zum Beispiel Jules Schwester. Einen sehr strebsamen, erfolgreichen Bruder, der zwar in jungen Jahren für Jule keine Hilfe ist, ihm aber später in großer seelischer Not zur Seite steht. Und Jule selbst, der fast sein ganzes bisheriges Leben unter dem Verlust der Eltern leidet und der erst nach und nach lernt, seinen eigenen Weg zu finden, nicht zuletzt durch eine, seine große Liebe.
„Du bist nicht schuld an deiner Kindheit und am Tod unserer Eltern. Aber du bist schuld daran, was diese Dinge mit dir machen. Du allein trägst die Verantwortung für dich und dein Leben…“(S.185), diesen Rat gibt ihm sein Bruder Marty.
Das Buch berührt auf seine eigene Weise den Leser und lässt ihn zurück, mit der Erkenntnis, dass das Leben nicht geradlinig verläuft, sondern stattdessen auch oft eine Abzweigung nimmt (S.330).