Das Leben ist kein Nullsummenspiel

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Wie tief ist das Loch, das der Schmerz nach einem leidvollen Verlust in die Seele bohrt? Ein Leben kann viele Wege nehmen. Geprägt durch die Familie, die Umwelt, die Erlebnisse, entscheidet sich, welcher Mensch man wird. Welche charakterlichen Eigenschaften in den Vordergrund treten. Wie man sich in die Gesellschaft fügt und welchen Umgang man mit seinen Mitmenschen pflegt. Jules und seine beiden älteren Geschwister Liz und Marty hätten eine durchaus normale Kindheit führen können, doch das Leben meint es nicht gut mit ihnen: Früh verlieren sie ihre Eltern aufgrund eines Autounfalls. Benedict Wells erzählt in seinem neuen, bewegenden Roman "Vom Ende der Einsamkeit", wie Menschen ihren individuellen Weg finden müssen, um mit einem schmerzlichen Verlust umzugehen. _(Die vollständige Rezension unter https://buecherherbst.wordpress.com/2016/03/02/rezension-benedict-wells-das-ende-der-einsamkeit/)_ Ich-Erzähler Jules blickt nach einem schweren Motorradunfall und zwei Tagen im Koma auf sein Leben zurück, es hatte doch so behütet begonnen: Er wuchs auf in einer engen Familienbande – insbesondere seine Schwester Liz liebte er innig – und sie reisten regelmäßig gemeinsam zur Großmutter nach Frankreich. Der Vater vertraute Jules nicht nur seine alte Kamera an, sondern auch wichtige Ratschläge für’s Leben: Er solle einen wahren Freund finden. Die drei Geschwister hatten eine unbeschwerte Kindheit. Doch als ihre Eltern ein Wochenende verreisten, während ihre Tante zu Hause auf sie aufpasste, geschah das Unglück: Bei einem tragischen Unfall kamen Vater und Mutter ums Leben. Urplötzlich rückten alle anderen Dinge in den Hintergrund. Die Kindheit war mit einem Schlag vorbei. Sie wurden herausgerissen aus der Sicherheit, die eine Familie bietet. "Vom Ende der Einsamkeit" ist herzzerreißend und tieftraurig. Benedict Wells ist einfach ein außergewöhnlicher Atmosphärenschöpfer, er kreiert mit dem düsteren Grundton eine melancholische Stimmung, die den Leser von Beginn an mitfühlen lässt. Zugleich beweist er mit dem Roman, dass er bereit ist für die großen Themen. Dabei lässt Wells die Frage offen, wohin der Weg einen Mensch führt – und wer oder was dafür verantwortlich ist, für welche Richtung man sich an der Kreuzung entscheidet? Vielmehr zeigt er, dass das Leben nunmal nicht immer fair ist und erst recht kein Nullsummenspiel, in dem jedes Übel irgendwann ausgeglichen wird. Wer dieses qualvolle Leid nie spürte, kann es sich nicht im Entferntesten vorstellen. Doch egal, wie tief sich der Schmerz in die Seele gebohrt hat, man darf nicht daran verzweifeln. Das Leben hält immer noch eine nächste Abzweigung bereit.