Dinge kommen und gehen

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buecherfan.wit Avatar

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„Vom Ende der Einsamkeit“, der neue Roman von Benedict Wells, beginnt mit einem schon klassischen Einstieg. Protagonist Jules Moreau liegt nach einem Motorradunfall zwei Tage im Koma. Als er wieder aufwacht, nimmt er dies zum Anlass, sein ganzes bisheriges  Leben Revue passieren zu lassen. Er geht dabei bis in seine Kindheit zurück, die von einer furchtbaren Katastrophe überschattet war.

Als Jules 11 Jahre alt war, kamen seine Eltern durch einen Unfall ums Leben. Er muss mit seinen Geschwistern sehr plötzlich München verlassen und wird in einem staatlichen Internat in einer ländlichen Umgebung untergebracht. Die Eingewöhnung fällt ihm sehr schwer. Aus dem extrovertierten, draufgängerischen Jungen wird ein stiller, ängstlicher  Außenseiter. Er findet lange keine Freunde und hat kaum noch Kontakt zu seinen Geschwistern, dem älteren Bruder Marty und der Schwester Liz. Es ist ein „vom Zufall zerschnittenes Leben“  (S. 52). Seine Situation verbessert sich erst ein wenig, als er das rätselhafte Mädchen Alva kennenlernt. Jeder sieht im anderen einen unausgesprochenen tiefen Schmerz gespiegelt.

Jules und Alva verlieren und begegnen sich immer wieder, ohne sich ihrer Gefühle für einander bewusst zu werden oder sie auszusprechen. Auch Jules begreift erst spät, dass Alva die Liebe seines Lebens ist. Jahrzehntelang führt er ein orientierungsloses Leben in großer Einsamkeit, das falsche Leben, weil er das andere, eigentliche seit der Tragödie in seiner Kindheit nicht mehr führen kann. Erst spät sieht er ein, dass er die Vergangenheit hinter sich lassen, nach vorn schauen muss, denn es gibt kein falsches Leben. Das Leben, das er führt, ist seins, und er hat nur das eine (S. 337). Als er endlich glücklich ist, schlägt das Schicksal wieder zu. Dieses Mal steht er jedoch nicht allein da. Die Geschwister sind einander inzwischen sehr nah und helfen einander. („Die Einsamkeit in uns können wir nur gemeinsam überwinden.“ S. 351).

Wells erzählt die Geschichte von Trauer und Verlust, von Liebe und Tod aus der Sicht von Jules Moreau, für den es wirklich knüppeldick kommt. Dem Autor gelingt ein berührender Roman, der nie kitschig ist, sondern zeigt, dass es einen Weg aus dem Tal der Tränen gibt und Menschen mit Mut ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Jules´ Bruder Marty erklärt dies in Analogie zu der Geschichte der Musiker auf der Titanic: „Wir sind von Geburt an auf der Titanic. (…) Wir gehen unter, wir werden das hier nicht überleben, das ist bereits entschieden. Nichts kann das ändern. Aber wir können wählen, ob wir schreiend und panisch umherlaufen, oder ob wir wie die Musiker sind, die tapfer und in Würde weiterspielen, obwohl das Schiff versinkt.“ ( S. 339).

So lässt dieser traurige Roman den Leser nicht ungetröstet zurück. Ein sehr schönes  Buch, das lange nachwirkt.