Ganz große Wells-Liebe

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janine_napirca Avatar

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TW: sexuelle Gewalt, Drogen, Tod, Suizid, Krebs

Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells ist ein wunderschön geschriebener Roman, der einen stellenweise sehr berührt, in einen tiefen Abgrund zieht, aus dessen Perspektive man jedoch immer das berüchtigte Lichtlein entdeckt und schließlich weiterliest, weiterkämpft. Wie das Leben eben: ein einziges Auf und Ab, Sonne und Schatten, Einsamkeit und Trost.

Jules verliert viel zu früh seine Eltern und wächst mehr ohne als mit seinen Geschwistern Marty und Liz in einem Internat auf. Wir begleiten ihn durch sein Leben, wie er vom gemobbten Einzelgänger, der sich nicht traut, seiner großen Liebe seine wahren Gefühle zu offenbaren, hin zu einem liebenden Familienvater und Bruder entwickelt. Es war wirklich schön zu lesen, wie die einst durch den Schicksalsschlag entzweiten Geschwister schließlich doch noch zusammenfinden und auch den Leidensweg eines angehenden Schriftstellers so hautnah mitzuerleben.

Besonders gut gefallen haben mir die immer wieder kehrenden, fast vergessen geglaubten Elemente, die Benedict Wells wie beiläufig in seine Geschichte einbaut und die ihn als groß- und einzigartigen Erzähler auszeichnen.

Meine Lieblingszitate:

„Das hier ist alles wie eine Saat. Das Internat, die Schule, was mit meinen Eltern passiert ist. Das alles wird in mir gesät, aber ich kann nicht sehen, was es aus mir macht. Erst wenn ich ein Erwachsener bin, kommt die Ernte, und dann ist es zu spät.“ (67)

„Eine schwierige Kindheit ist wie ein unsichtbarer Feind. Man weiß nie, wann er zuschlagen wird.“ (136)

„Wenn man sein ganzes Leben in die falsche Richtung läuft, kann‘s dann trotzdem das Richtige sein?“ (190)

„Die Zeit verläuft nicht linear, ebenso wenig die Erinnerungen. Man erinnert sich immer stärker an das, was einem gerade emotional nahe ist.“ (213f)

„Alles geht so schnell vorbei, und man kann nichts davon festhalten. Man kann nur sein.“ (295)

„Und doch bin ich mir sicher, dass es in diesem Universum einen Ort geben muss, von dem aus betrachtet beide Welten gleich wahr sind. Die echte und die ausgedachte. Denn wenn alles vergessen und vorbei ist, wenn die Zeit in Milliarden Jahren alles entfernt hat und es keinen Beweis mehr für gar nichts gibt, dann spielt es keine Rolle, was die Wirklichkeit war. Dann sind die Geschichten, die ich mir in meinem Kopf ausgedacht habe, vielleicht genauso wirklich und unwirklich gewesen wie das, was die Menschen Realität genannt haben.“ (309)