Ist das Leben ein Nullsummenspiel?

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sikal Avatar

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„Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.“

Mit diesem Satz beginnt die Familiengeschichte rund um Jules Moreau. Er lässt nach einem Motorradunfall sein Leben Revue passieren und denkt zurück an seine Kindheit, seine Geschwister, seine Träume – und immer wieder an die Realität, die seine Träume zunichtemacht.

Bereits als kleines Kind muss er den Tod seiner Eltern akzeptieren, kommt mit seinen beiden Geschwistern Maty und Liz in ein Internat und merkt zum ersten Mal was es heißt, einsam zu sein. Während Maty seine Trauer überspielt und mit Freunden auf cool macht, Liz sich allen möglichen Typen an den Hals wirft, zieht sich Jules immer mehr in eine Traumwelt zurück. Vom einst selbstbewussten Jungen, der auch über einen Abgrund balancierte, ist nicht mehr viel geblieben. Er wurde immer ängstlicher, zurückgezogener – eigentlich viel zu schnell „erwachsen“ nach einer viel zu kurzen Kindheit. Erst als er durch Alva endlich Freundschaft findet, kommt er aus seinem Loch ein wenig heraus und genießt die Zeit der Gespräche und des Schweigens mit ihr. Nach der Internatszeit verlieren sich die beiden aus den Augen, erst Jahre später begegnen sie einander erneut. Doch das Schicksal hat auch jetzt noch allerhand Herausforderungen für die beiden parat und man fragt sich, wie viel kann ein Mensch ertragen …

Benedict Wells schafft in diesem Roman eine melancholische Stimmung, eine allgegenwärtige Trauer, die doch immer wieder nach vorne blicken und Hoffnung aufkommen lässt. Ich muss gestehen, dass ich manchmal zu lesen aufhören musste, weil ich den Tränen nahe war. Die Geschichte hat mich zutiefst berührt, hat mich nachdenklich gemacht und über das „Nullsummenspiel“ grübeln lassen. Wird man lange Zeit „vom Pech verfolgt“, kommt es dann auf der Glücksseite wieder zu einem Ausgleich? Jules glaubt jedenfalls nicht daran.

Der Schreibstil ist sehr poetisch, bildhaft, lässt rasch Seite um Seite verfliegen. Das Ende kommt viel zu schnell – gerne hätte man noch ein wenig Zeit mit Jules und seiner Familie verbracht.
Der Autor beschreibt authentisch ein Leben, wie es sein könnte. Ein Auf und Ab an Gefühlen, Hindernissen, aber auch die Wertschätzung einer Familie spielt eine große Rolle.

„Die Einsamkeit in uns können wir nur gemeinsam überwinden.“

Der überraschende Schluss ließ mich erst mal innehalten und durchatmen. Spätestens hier kann man dieses tiefgründige Buch uneingeschränkt weiterempfehlen.