Mit verhaltener Begeisterung ...

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ilonar. Avatar

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Was bewegt so viele Rezenten hier und auf anderen Plattformen für dieses Buch beinahe ausschließlich fünf Sterne zu vergeben und sich in Lobeshymnen gerade zu überschlagen? Ich gebe zu, ich verstehe diese Euphorie nur bedingt.
Ja, ich habe das Buch auch gern gelesen und das Schicksal der einzelnen Personen hat mich durchaus mehr oder weniger angerührt.
Ja, der Autor erweist sich an vielen Stellen als ein Meister der Sprache und wenn ich lese, dass er insgesamt sieben Jahre an diesem Buch gearbeitet hat, der Roman dabei von ursprünglich mehr als achthundert Seiten auf gut 350 Seiten verdichtet wurde, dann ist diese Arbeit nicht nur sehr anzuerkennen, sondern auch in vielen Zeilen zu entdecken. Und hat dem Buch sicherlich sehr gut getan.
Die Hauptfiguren des Romans sind die Geschwister Jules (10), sein Bruder Marty (12) und die große Schwester Liz (13). Bis zu diesem Zeitpunkt wachsen die Drei in einem behüteten Elternhaus in München auf, doch dieses heile Leben wir jäh durch den tödlichen Unfall der Eltern beendet.
Alle drei Geschwister kommen in ein Internat, zwar in die gleiche Einrichtung, aber das ändert nichts daran, dass sie sich immer weiter voneinander entfernen.
Jules ist der Ich-Erzähler seiner und der Geschichte seiner Familie im weiteren Sinne und daher stehen auch seine Gefühle, seine Empfindungen und seine Gedanken in diesem Stadium des Buches im Vordergrund.
Seine Gedanken kann er in dieser Zeit nur mit Alva, einer Schulfreundin teilen, mit der ihn die Erfahrung von großem Verlust und tiefer Trauer verbindet. Ich habe die Gedanken und Empfindungen eines Jungen in diesem Alter oftmals als deutlich zu erwachsen empfunden. Da diese Passagen als Erinnerungen des erwachsenen Jules geschrieben sind, ist das zu akzeptieren, so ganz überzeugt hat mich das allerdings nicht und ich fand den jungen Jules manchmal nicht wirklich glaubhaft.
Nach der Schule, nach dem Abitur verlieren sich Jules und Alva aus den Augen, eine erneute Begegnung wird es erst gute 20 Jahre später geben. Nach diesem Treffen scheint eine Rückkehr zur alten Freundschaft für Jules nicht mehr denkbar. Weitere zwei Jahre später nimmt er eine Einladung von Alva in die Schweiz an, wo sie mit ihrem Mann sehr zurückgezogen lebt. Noch einmal steht die Frage im Raum: Können sie an die alte Freundschaft anknüpfen. Und jetzt ändert sich plötzlich alles für Jules und Alva.
Im Laufe der Zeit kommen jetzt nicht nur die beiden Freunde wieder zusammen sondern auch die Geschwister rücken näher zusammen. Es scheint als habe jeder seinen Platz im Leben gefunden und lebt von Alltagskleinigkeiten abgesehen sein glückliches und zufriedenes Leben. Jules und Marty leben mit ihren Familien beide wieder in München, Alva spielt jetzt endlich die „richtige“ Rolle in Jules Leben, nur Liz ist in Berlin geblieben und noch immer ein kleines bisschen die Außenseiterin.
Doch erneut schlägt das Schicksal zu und ein zweites Mal müssen die Protagonisten sich mit Verlust und Trauer und vor allem dem Weiterleben danach auseinandersetzen. Dieser letzte Teil hat mir besonders gut gefallen, weswegen ich trotz meiner eher verhaltenen Einleitung eine Leseempfehlung aussprechen möchte. Gern werde ich bei Gelegenheit wieder zu diesem Autor greifen und bin gespannt, wie ich dann urteile.