Vom Anfang der Geborgenheit

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Während ich seit einer guten Stunde immer und immer wieder mein Geschriebenes lösche, weil ich mir laufend die Frage stellen muss: „Wie rezensiere ich ein Buch, das mich sprachlos zurückgelassen hat?“, entscheide ich mich genau dafür als Anfang.
Dabei möchte ich festhalten, dass ganz gleich was ich schreiben werde, es wird diesem Roman nicht im Entferntesten gerecht werden.

„Das Leben ist kein Nullsummenspiel. Es schuldet einem nichts, und die Dinge passieren, wie sie passieren. Manchmal gerecht, so dass alles einen Sinn ergibt, manchmal so ungerecht, dass man an allem zweifelt. Ich zog dem Schicksal die Maske vom Gesicht und fand darunter nur den Zufall.“

Dieses Zitat war der Anstoß eines großartigen Leseerlebnisses. Es sorgte dafür, dass Benedict Wells neuer Roman meine volle, ungeteilte Aufmerksamkeit bekam. Wie man bisher unschwer erahnen kann, wurden meine Erwartungen nicht enttäuscht. Darüber hinaus möchte ich vorweg nehmen, dass es definitiv die Chance hat, dass beste Buch des Jahres zu werden. Es weckt in mir den Wunsch es jedem zu empfehlen, der bereit ist sein Herz für „Vom Ende der Einsamkeit“ zu öffnen.

Doch worauf lässt man sich bei dieser Geschichte ein?
Nun, wir lernen Jules und seine beiden Geschwister Marty und Liz kennen, als Jules elf Jahre alt ist und die Geschwister ihre Eltern durch einen Autounfall verlieren. Sie verlieren ihre Eltern, das gewohnte Umfeld, eigentlich sogar ihr eigenes Leben, denn als sie nach dem Tod ihrer Eltern auf ein staatliches Internat müssen, verändert sich alles. Die Geschwister verlieren sich immer mehr und versuchen auf ihre Art mit der neuen Situation fertig zu werden. Jules, der sich immer mehr zurückzieht, findet nur in Alva eine Freundin.
Nach den ersten Eindrücken über die Familie und das neue Leben im Internat, begleiten wir die Charaktere über die Jahre hinweg bis sie selbst Erwachsen sind. Jeder von uns wird sich in einem dieser Charaktere wiederfinden. Um ein paar Beispiele zu nennen: Jules ist auf der Suche. Liz ist wie eine rebellierende Reisende ohne Boden unter den Füßen. Und dann haben wir noch Alva, die alles mit sich selbst ausmacht.

Wir bekommen im weiteren Verlauf der Geschichte immer wieder einen Einblick in Jules Leben, aber es folgen auch Zeitsprünge. Diese Unterbrechungen in der Erzählung waren für mich während des Lesens sehr wichtig und willkommen, da sie einem die Zeit verschaffen um aufzuatmen und Revue passieren zu lassen. Sowieso habe ich immer wieder nachgedacht, reflektiert, genossen.

„Vom Ende der Einsamkeit“ birgt, neben einer grandiosen Handlung, eine ungeheure Melancholie. Wie sonst soll man einen Roman über Verlust, Einsamkeit, Familie und die Liebe schreiben?
Es ist wünschenswert, dass man dieser Geschichte sein Herz öffnet. Die Figuren sind so facettenreich gezeichnet, dass sie die Nähe zum Leser brauchen und verdient haben. Sie sind in ihrem ganzen Sein und Handeln einfach menschlich, nicht überzogen oder gar beschönigt.

Benedict Wells ist ein wahres Meisterwerk gelungen. Die Figuren sind absolut bemerkenswert, die Geschichte eindringlich und trotz der Schwere abwechslungsreich und der Erzählstil so mühelos und ausgereift, dass jede Zeile puren Lesegenuss darbietet.