Interessanter Plot, aber der Schreibstil hat noch Potential

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pandemonium Avatar

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Die Idee ist auf jeden Fall sehr interessant und die Geschichte um die wiedergeborenen Wächter ist spannend angelegt und grundsätzlich schlüssig aufgebaut. Allerdings ist der Schreibstil etwas hölzern – „die neue Aktivität der Finsternis“ – und manchmal einfach zu gewollt: Der Hinweis, den Weltenwanderin Iris zu den Waffen gibt, die den Wächtern von Oberon höchstpersönlich übergeben worden seien und Susan deshalb bitte darauf aufpassen solle, ist konstruiert und irgendwie deplatziert.

Dazu kommen teilweise oberflächliche Beschreibungen, zum Beispiel von der Übertragung einer Pressekonferenz von Bundespolizei, Innenministerium und Robert-Koch-Institut, die wenig schlüssig dargestellt ist (Warum BMI und nicht Kanzler:in?; Warum RKI ohne den Gesundheitsminister? Warum unklare Aussagen zu Seuchengefahr, die wohl eher Panik verbreiten würden als der Bevölkerung zu versichern, die Regierung habe alles im Griff, etc.) Das aktuelle Geschehen um COVID-19 wird auch gleich verarbeitet und ein latenter Hinweis darauf, dass ein Mund-Nasenschutz auf jeden Fall nicht schaden würde, kommt gleich hinterher.

Bei seiner Hauptprotagonistin scheint sich der Autor auch nicht recht entscheiden zu können. Mal ist sie sehr reflektiert und umsichtig, dann naiv und mädchenhaft, in der nächsten Situation fast burschikos und etwas sprunghaft. Susans Figur ist durchaus gut angelegt und vielleicht möchte der Autor nur vermitteln, dass sie eine vielschichtige und interessante Persönlichkeit hat, die sich weiterentwickeln und verändern wird im Verlauf der Ereignisse. Doch das ist aktuell noch nicht sehr gut gelungen, die Charakterzeichnung ist unstet und auch ein bisschen unscharf.

Unschön sind auch Widersprüche, wie zum Beispiel, dass die Geschichte im Zeitalter von Podcast, Streaming und YouTube Tutorial spielt. Trotzdem schreiben sich Susan und ihr Freund Textnachrichten mit Emoticons, also ganz im Stil von SMS. Und auch wenn SMS noch nicht komplett veraltet sind, sollten bei Teenagern nicht eher Smartphones, Messaging-Apps und Smileys an dieser Stelle die Textnachrichten beschreiben?

Und welche Aufgabe hat eigentlich Iris? Weltenwanderin klingt wirklich wunderbar und auch die Beschreibung der Szene im Prolog, als sie die Kristalle ihrer verlorenen Freunde mit sich nimmt, ist stimmig und gut erzählt. Doch dann, sagt die selbsterklärte Mentorin Susans, die extra einen kleinen Trainingsparcours für ihren neuen Schützling gebaut hat, von Schwertkampf und Kriegskunst habe sie eigentlich keine Ahnung. Kein Problem für die praktisch veranlagte Susan, sie könne ja auch ein paar Dokus und Tutorials auf YouTube schauen...

Fazit: die Geschichte ist interessant, einfallsreich kombiniert und verspricht, wenn sie stilistisch überarbeitet würde, ein abwechslungsreiches Leseerlebnis. Denn die sprachliche Gestaltung erscheint mir noch sehr unausgereift und hat definitiv Luft nach oben. Ein Lektorat könnte sicherlich helfen.