Ein hartes Leben kann sehr glücklich machen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
holzfrieden Avatar

Von

Dieses Buch hat mich in seiner Gesamtheit nicht mehr losgelassen, auch wenn ich zu Bedenken geben möchte, dass einige Brüche vorkommen, die sich nicht wirklich nachvollziehen lassen. Dennoch vorab mein Fazit: Unbedingt lesen! Die Entwicklung von Annemie lässt den Leser nicht los. Sie und die Aufs und Abs in ihrem Leben lassen den Leser nicht los, man lacht und weint mit ihr und möchte sie einfach in den Arm nehmen und sagen: "Alles wird gut!" Annemie ist schon als Kind eine starke Persönlichkeit, die sich nicht kleinkriegen lässt und handelt, bevor ihre Lebensumstände sie erdrücken. Die Stationen ihres Lebens Pflegeeltern, Ausbruch und Wanderschaft, Heimkehr, Glück und Krieg lassen sie wachsen und sich entwickeln. Obwohl sie im Laufe der Geschichte zu einer tragischen Mörderin wird, tut das der Sympathie für ihre Figur keinen Abbruch, ganz im Gegenteil, man versteht sie nur zu gut.
Annemies Pflegebruder Jonathan entwickelt sich erst im letzten Drittel des Buches zu einer wichtigen Figur. Auch diese ist so ausgestaltet, dass der Leser ihn einfach gern haben muss. Auch er ist nicht ohne Fehler, die ihn aber umso sympathischer machen. Er schafft es, den Krieg zu überleben und auch er begibt sich auf eine lange Reise, um das Tal der Kirschen, sein Tal der Kirschen zu erreichen.
Was dieses Buch besonders auszeichnet, ist seine Sprache. Ernst wählt eine bildhafte Sprache, die aber nie pathetisch oder kitschig wird:"Zuletzt brachte ein warmer Aprilregen auch das zarte Grün der Kirschbaumblätter zurück, das im Schnee zu Tode erschrocken war und noch am selben Tag braun verwelkte."(S. 317)
"Vor hundert Jahren und einem Sommer" ist eine sowohl fantastische als auch sehr realistische Geschichte, beide Elemente sind so miteinander verqickt, dass eine glaubwürdige Geschichte entsteht - und das ist das, was mich am meisten beeindruckt an diesem Buch, denn das gelingt nur wenigen Autoren!