Vom Sinn oder Unsinn des Lebens

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krimine Avatar

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Boris Moser betreibt eine Agentur für verworfene Ideen. Das Besondere daran ist, dass die meisten Ideen von ihm selbst stammen. Bewappnet mit einem kleinen Heft, seinem Ideensammler, wandert er durchs Leben und notiert alles, was ihm interessant erscheint. Das Einzige, was er nicht mehr notiert, sind Romananfänge. Davon hat er genug. So fristet er sein Dasein in einem kleinen Büro, bis eines Tages eine junge Frau namens Rebecca zufällig in sein Leben tritt. Hin und wieder besucht sie Boris und gerade weil er ein wenig schräg drauf ist, fasziniert er sie. Voller Neugierde auf die verworfenen Ideen, die sich Boris akribisch notiert, stößt Rebecca auf die Romananfänge und möchte diese kennen lernen. Nach anfänglichem Sträuben beginnt Boris zu erzählen. 

Seine Geschichte beginnt damit, dass eine junge, gut aussehende Frau an einem Junimorgen plötzlich umfällt und regungslos auf dem Bürgersteig liegen bleibt. Noch als sie bewusstlos auf der Straße liegt, haben die Menschen um sie herum gewisse Ansprüche an sie. Alle wollen ihr helfen und erhoffen sich dafür eine Gegenleistung. So wie Mark, der sie beatmen möchte, damit sie später dankbar zu ihm aufsieht und ihn dabei unterstützt, aus seinem langweiligen Business-Leben auszusteigen. Oder Iris, die Geschäftsführerin eines Hotels, die sie gerne als beste Freundin hätte, um sich in ihrem Glanz zu sonnen und nette Männer kennen zu lernen. Doch bevor all diese Menschen sich auf sie stürzen können, erscheint zum Glück der Notarztwagen und mit ihm Sebastian, der sie auf ungewöhnliche Art und Weise von ihren Mitmenschen erlöst. Im Krankenhaus erzählt ihm Rebecca die Geschichte vom Maulwurf, der blind durchs Leben gehen muss. Dabei ist der Maulwurf niemand anderes als ein berühmter Schriftsteller, der ihr die Geschichte von Heiner diktierte, einem Menschen, der nach dem Sinn des Lebens sucht.

 

Nach dem Prinzip der "Schachtel in der Schachtel" ist der Roman von Jacob Hein aufgebaut. Mit diesem System öffnet der Autor immer neue Geschichtsebenen, die er am Ende des Romans in umgekehrter Reihenfolge schlüssig auflöst. Im ersten Moment wirkt die ungewohnte Art der Erzählung für den Leser äußerst interessant, birgt aber einen hohen Anspruch in sich. Ständig ist er gefordert, die einzelnen Handlungsfäden im Auge zu behalten, um letztendlich die verschiedenartigen Geschichten in vollem Umfang genießen zu können. Geschichten, die nicht wie in anderen Büchern nacheinander, sondern ineinander erzählt werden.

 

Das Buch von Jacob Hein kann wunderbar mit seinem Hauptprotagonisten Boris verglichen werden. Ungewöhnlich verrückt und schräg, aber auch humorvoll und witzig, gepaart mit einem gewissen intellektuellen Anspruch. Voller Enthusiasmus lässt der Autor seine Figuren über banale Themen, wie das richtige Teekochen oder auch das parasitäre Verhalten von Rucksäcken philosophieren, bis sie über der Kritik an Unzulänglichkeiten unserer Gesellschaft letztendlich in der Frage nach dem Sinn des Lebens gipfeln.
Ein angenehmer Schreibstil, witzige Dialoge und liebevoll beschriebene Charaktere runden das Ganze ab und lassen es zu einem angenehmen Leseerlebnis werden, wobei letztendlich immer das Gefühl bleibt, dass der Autor mit seinen Geschichten eine nahezu grenzenlose Macht über die Fantasie des Lesers ausübt.