Geschichte ganz anders

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waldeule Avatar

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Das Geschichte auch einmal ganz anders erzählt werden kann, beweist Loel Zwecker in seinem pfiffigen Buch. Er nimmt uns mit auf eine unterhaltsame, aber auch sehr lehrreiche Reise durch unsere Zivilisation. Im lockeren Plauderton wird über Wichtiges und Unwichtiges, Interessantes und Banales, große Heldentaten und kleine Alltäglichkeiten, Bekanntes und Neues berichtet. Dabei gelingt es Zwecker hervorragend, geschichtliche Zusammenhänge und Entwicklungen aufzuzeigen und so Vergangenheit und Gegenwart zusammenzubringen. 

Ein Grund dieses Erfolges ist dabei sicher die grundlegend chronologische Erzählweise, in die aber immer wieder Vergleiche mit der Gegenwart oder Weiterentwicklungen einfließen. So springt Zwecker in einem Satz von Wandmalereien im alten Babylon zur modernen Graffitikunst oder vergleicht als Weltreiche das römische Reich mit den heutigen USA. Sehr unkonventionell, doch auf alle Fälle effektiv, liest sich das Buch dadurch einfach viel interessanter und spannender als herkömmliche Geschichtsschreibung. Unterstützt wird dieser Effekt durch einen ungewöhnlichen Sprachstil, der vor allem durch seine sehr moderne Begrifflichkeit, auch im Altertum, auffällt. Zunächst ungewöhnlich, aber durchaus zutreffend, wenn er z. B. von den ersten „Start-Up-Unternehmungen“ der Menschheitsgeschichte, den Bergleuten und Schmieden, berichtet.

Gerade in den Kapiteln, in denen Loel Zwecker die ausgetretenen Pfade konservativer Geschichtserzählung verlässt, läuft er zu Hochform auf. Dazu gehört z. B. das erste Kapitel des Buches, in dem der Autor geschickt die ersten Hochzivilisationen mit Hilfe der Erfindung der Schrift gegenüberstellt. Leider gab es gerade im ersten Teil des Buches auch traditionell geschriebene Kapitel, die sich dann etwas zäh lasen. Im Mittelalter war für mich der Text zu oft eine Aufzählung von Herrschern und Kriegern, was sicher dazugehört, aber doch etwas langwierig ist. Doch außer diesen (wenigen) Kapiteln empfand ich die Auswahl aus der Fülle der geschichtlichen Ereignisse sehr gelungen. Gerade auch die Schwenks auf die Geschichte außerhalb Europas fand ich gut ausgewählt. Gelungen war auch die Kombination zwischen Kultur und Politik. Loel Zwecker schafft es, die Lebenssituation der Masse des Volkes darzustellen und so dem Leser den Zeitgeist der jeweiligen Epoche empfinden zu lassen. Dabei werden grundlegende Informationen mit interessanten Details gekonnt miteinander verbunden.

Es ist ein Geschichtsbuch im Zeitraffer, da natürlich in einem Buch von 373 Seiten viele Vorkommnisse nur angerissen werden können. Doch dieses vermeintliche Manko ist eine der großen Stärken des Buches, denn durch die Komprimierung auf Wesentliches treten Querverbindungen und logische Weiterentwicklungen besser hervor. Es gelang dem Autor hervorragend, Entwicklungen aufzuzeigen, die mir vorher nie so bewusst geworden sind. Das gilt vor allem für die neuere Geschichte, auf die ich jetzt eine etwas andere Sichtweise gewinnen konnte.

Das Buch ist sehr flüssig geschrieben und trotz komplizierter Satzbauten (die ich oft mehrmals lesen musste) leicht und gut lesbar. Über die zahlreichen Fachbegriffe und Fremdwörter bin ich zwar so manches Mal gestolpert, doch trotzdem ist es für ein Sachbuch ein sehr leserfreundliches Buch und dient nicht nur zur Weiterbildung, sondern auch zur Unterhaltung und Entspannung. Es war zumindest für mich kein Buch zum schnellen Lesen, da ich doch nach jedem Abschnitt Zeit braucht, diese Informationsfluten, die auf mich einströmten, zu verdauen. Angenehm fand ich die Einteilung in 15 Hauptkapital, die nochmals in unterschiedliche Unterkapitel unterteilt waren. Das Lesen dieses Buches hat auf alle Fälle Spaß gemacht und das ist wohl gerade für ein Sachbuch ein großes Kompliment.

Ob Loel Zweckers Interpretationen alle so zutreffen, kann ich als geschichtlicher Laie nicht feststellen. Zumindest mir sind keine groben Fehler aufgefallen. Gefehlt haben mir aber ein Glossar für die vielen Fremdwörter und Fachbegriffe und vor allem eine Karte! Schade, dass hier gespart wurde. (Obwohl das den Gesamteindruck nur geringfügig schmälert).

Fazit: Ein absolut empfehlenswertes Buch, das wegen seiner ungewöhnlichen und kreativen Darstellungsart sicher auch weniger Geschichtsinteressierten Spaß macht und mich begeistern konnte.