Keine gelungene Fortsetzung der Reihe

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r.e.r. Avatar

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"Was hatte eine Frau in hochhackigen Stiefeln morgens um acht im Schneesturm und allein auf einem Fußweg hinter einer Kindertagesstätte zu suchen?" Die Antwort ist nicht schwer zu finden. Die junge Frau brachte ihren Sohn in die Betreuung. Die Frage warum auf diesem Weg gewaltsam zu Tode kam, ist ungleich schwieriger zu beantworten. Annika Bengtzon vermutet einen Serienmörder. Bevor Sie jedoch mit der Recherche beginnen kann, wird ihr eigenes Leben auf den Kopf gestellt. Ihr Mann Thomas war als schwedischer EU Repräsentant Teil einer internationalen Delegation, die sich ein Bild davon machen sollte, wie die Grenzüberwachung von Kenia nach Somalia funktioniert. Die gesamte Delegation wurde in Nairobi entführt. Von Thomas fehlt jedes Lebenszeichen.

 

Liza Marklund schickt Annika Bengtzon seit 1997 auf die Jagd nach Verbrechern in Stockholm. In "Weißer Tod" ist die eigenwillige Reporterin gerade aus Washington zurückgekehrt, wo sie für drei Jahre mit ihrem Mann Thomas und den beiden Kindern Kalle und Ellen gelebt hat. "Das Leben war wieder auf null gestellt". So beschreibt sie selbst den Neubeginn in Schweden, der eigentlich keiner ist. Sie fängt wieder an, wo sie aufgehört hat. Vor Jahren fand sie im Sommer eine tote junge Frau auf dem Friedhof hinter einem Grabstein und berichtete darüber. Jetzt ist Winter und sie findet eine tote junge Frau hinter einer Kindertagesstätte. Zum berichten kommt sie jedoch nicht mehr.

 

Für Marklund und ihre Bengtzon Reihe wäre eine Zäsur notwendig. In Qualität und Spannung kann „Weißer Tod“ nicht mit seinen Vorgängern mithalten. Gepflegte Langeweile prägt das Bild. Annika Bengtzon wirkt müde, ausgelaugt und vor allem wenig glaubhaft. Die Ecken und Kanten in ihrem Charakter, früher nachvollziehbar, sind nun sprunghaft und unberechenbar. Sie kämpft mit ihrer Psyche, den Menschen in ihrer Umgebung und ist des Lebens müde. Diesen Charakterwandel kann man auch mit der nervlichen Extremsituation nicht erklären.

 

Hier stimmen die Prioritäten der Autorin nicht. Die Morde an den Frauen sind lediglich schmückendes Beiwerk für gepflegte Langeweile. Der Schwerpunkt des Romans liegt auf der Entführung und hier im speziellen auf den Verhandlungen, die Thomas Chef, Jimmy Halenius, von Annikas Schlafzimmer aus mit den Entführern führt. Annika fällt hierbei die Aufgabe der Logistikerin zu. Das heißt, sie muss für Verpflegung und geladene Handys sorgen. Streckenweise hat man das Gefühl ein Kochbuch für schwedische Küchenklassiker zu lesen, so genau ist beschrieben auf welche Weise Annika ein Gericht zubereitet und serviert. Spätestens nach dem dritten Schokoladenkuchen mit Schlagsahne und Himbeeren, wird es langweilig zu lesen in welch immer neuen Aggregatzustand man Beerenobst als Beilage servieren kann.

 

Der letzte Teil des Buches spielt in Afrika. Auch dieser Teil wirkt seltsam unbelebt. Marklund verweist an vielen Stellen auf Tania Blixen, ohne eine „Jenseits von Afrika“ artige Atmosphäre erzeugen zu können. Was vielleicht auch an der Unleidlichkeit der miesepetrigen Heldin liegt.

 

Auch die rüde Ausdruckweise hat mich gestört. Pissen und Pinkeln scheinen Lieblingsausdrücke der blonden Schwedin zu sein. Zudem beschreibt sie oft in aller Ausführlichkeit Art, Dauer und Geräuschkulisse des Uriniervorganges. Um es mit Gerhard Polt zu sagen: „Braucht‘s das?“

 

Insgesamt die enttäuschende Fortsetzung einer bisher erfolgreichen Reihe. Mir ist die Lust vergangen, dem Schicksal von Annika Bengtzon weiter zu folgen.