Zum Heulen schön

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buecherfan.wit Avatar

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Kristin Hannahs neuer Roman “Wie Blüten im Wind” (Originaltitel: Night Road) beginnt mit einem Prolog. Eine Unbekannte schaut im Jahr 2010 auf eine Haarnadelkurve der Night Road auf einer Insel im Puget Sound im Staat Washington, wo sich sechs Jahre zuvor ein furchtbarer Unfall ereignet hat. Die eigentliche Romanhandlung setzt noch vier Jahre früher, nämlich im Jahr 2000 ein.
Die 14jährige Alexa Baill wird von ihrer Betreuerin Miss Watters von Südkalifornien nach Washington gebracht, weil man in Eva Lange endlich eine leibliche Verwandte des jungen Mädchens ausfindig gemacht hat. Sie ist eine Schwester von Lexis Großmutter und bereit, sie nach einer Odyssee durch sieben Pflegefamilien in fünf Jahren aufzunehmen, ohne sie jemals gesehen zu haben. Lexis Mutter war drogenabhängig, vorbestraft und starb an einer Überdosis.
In einer gutsituierten Familie auf der Insel sehen die Zwillinge Zach und Mia Farraday ihrem ersten Tag an der Pine Island High School entgegen. Zach ist der beliebte, gut aussehende Bruder, seine Schwester Mia ist schüchtern, leidet an Akne und trägt eine Zahnspange. Die beiden Mädchen lernen sich am ersten Schultag kennen. Beide sind Außenseiterinnen, beide lieben die klassischen englischen Romane der Bronte Schwestern: “Jane Eyre” von Charlotte Bronte ist Lexis Lieblingsbuch, und Mia liest gerade Emily Brontes “Sturmhöhen”. Lexi und Mia freunden sich sofort an, und die nächsten Jahre sind für beide die glücklichsten. Erste Komplikationen treten auf, als Lexi und Zach ein Paar werden.. Doch dann passiert kurz vor dem Highschool Abschluss ein furchtbares Unglück, das das Leben aller Beteiligten für immer verändert.
Kristin Hannah behandelt in immer neuen Konstellationen das Thema "Mutterliebe". Jude Farradays Verhältnis zu ihren Zwillingen, Judes schwierige Beziehung zu ihrer Mutter Caroline, Lexi und ihre Tochter Grace und schließlich Eva Lange und ihre Großnichte Lexi. Immer wieder stellt sie die Frage, was eine Frau zu einer guten Mutter macht.
Hannah erzählt eine sehr bewegende Geschichte von Liebe und Tod, von Schuld und Sühne und von einer Liebe, die stärker ist als der Tod. Sie zeigt, dass man auch nach einer entsetzlichen Tragödie nicht verbittert und rachsüchtig werden darf, sondern zu einem Abschluss kommen muss. Man muss sich selbst und anderen vergeben. Nur dann hat man eine Chance, wieder glücklich zu werden. Die Autorin lässt ihre Figuren durch ein schier endloses Tal der Tränen gehen, und die Leserin geht mit und leidet, lange Zeit vergeblich auf einen Silberstreif am Horizont hoffend. Die Autorin riskiert eine schwierige Gratwanderung zwischen großen Gefühlen und Kitsch, nicht immer erfolgreich. Auch die deutsche Übersetzung macht vor allem bei der Beschreibung von Liebesszenen deutlich, welche Zielgruppe der Verlag ins Auge gefasst hat. Sind die Originaltitel noch “neutral”, zeigen die deutschen Titel von Kristin Hannahs Romanen -“Was wir aus Liebe tun”, “Wer dem Glück vertraut”, “Wer zu lieben wagt”, “Wohin das Herz uns trägt” und natürlich auch “Wie Blüten im Wind”, der Titel des vorliegenden Romans -, dass es sich um Herz-Schmerz-Geschichten für ein weibliches Lesepublikum handelt. Es ist ja vielleicht ganz nett, sich mal so rühren zu lassen, aber große Literatur ist das sicher nicht.