Die Schwierigkeit der Integration

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Man muss ihn einfach mögen, den kleinen Jacob Rosenblum oder Jack Rose. Als Jude flieht er gerade rechtzeitig mit Frau und Tochter aus Deutschland nach England. Seit er englischen Boden betreten hat,  wünscht er sich nichts mehr, als ein wirklicher Engländer zu sein. Er hat eine Liste, auf der beschrieben ist, wie sich "der Engländer" in allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen verhält. Er arbeitet Punkt für Punkt dieser Liste ab, fügt neue Punkte hinzu und merkt gar nicht, dass schon sein Akzent für immer verhindern wird, dass er von der "besseren" Gesellschaft akzeptiert wird.

Der letzte Punkt seiner Liste, die Mitgliedschaft in einem Golfclub, will einfach nicht gelingen, denn man nimmt ihn dort nicht auf, eben weil er nicht dazugehört. In seiner etwas eigenartigen Konsequenz ist es für ihn logisch, dass er dann eben einen eigenen Golfplatz bauen muss. Mit Feuereifer macht er sich ans Werk, stösst aber auch in der neuen Umgebung als Fremder auf Widerstand.

Bei all seinen Bemühungen hat er völlig übersehen, dass seine Ehefrau einen genau entgegengesetzten Kampf kämpft, nämlich den gegen das Vergessen. Sie hat ein schlechtes Gewissen gegenüber den zurückgelassenen Verwandten, weil sie überlebt hat und die anderen nicht. Deshalb ist sie krampfhaft bemüht, die Erinnerungen, die naturgemäß im Laufe der Zeit verblassen, wach zu halten. Und weil beide so konträre Ziele anstreben, entwickeln sie sich auseinander.

Erst als beide auf dem Land landen, wohin sie in ihrer beider Verschrobenheit ausgezeichnet passen, gewinnen sie Freunde und werden am Ende beide integriert, haben wirklich eine Heimat gewonnen und sich selbst wiedergefunden.

Dieses einfühlsam und durchaus humorvoll geschriebene Buch zeigt, wie schwierig es ist, in einem fremden Land nicht nur zurechtzukommen, sondern sich wirklich einzufügen. Trotz allen guten Willens bleibt eine Menge Fremdheit, weil man manche Dinge nicht wirklich erlernen kann. Man muss wirklich mit Gefühl dabei sein und erst dann kann es funktionieren. Gleichzeitug muss man seine Vergangenheit zurücklassen, sie wirklich abschliessen. Viele werden das gar nicht wirklich wollen, wenn sie nämlich an ihre Heimat nicht nur schlechte Erinnerungen haben. Einfach wird die Integration erst für die zweite Generation, wie man am Beispiel der Tochter Elizabeth sieht.

Dieses Buch sollte Pflichtlektüre sein für alle, die heute den Willen zur Integration ausländischer Mitbürger bemängeln, denn es zeigt, wie schwierig das auch bei bestem Willen sein kann. Es sollte aber auch von besagten ausländischen Mitbürgern gelesen werden, denn es zeigt, dass Integration möglich ist, ohne seine Persönlichkeit wirklich verändern zu müssen. Wichtig ist ein gegenseitiges Entgegenkommen.

Zwei Dinge habe ich allerdings zu bemängeln: Ich kann nicht verstehen, dass die Rosenblums als altes, weißhaariges Paar geschildert werden, obwohl sie doch höchstens in den vierzigern sein können, kamen sie doch als junges Ehepaar mit einem Säugling vor zwanzig Jahren nach England. Und dann der Titel: Warum wird nicht der wirklich treffende englische Titel übersetzt und man nennt das Buch "Mr. Rosenblums Liste"?

 

meldsebjon