Identität in der Fremde

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simonsays... Avatar

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 Ein schönes Buch- innen wie außen. Griffig, hübsche farbige Grafik auf der Buchvorderseite, innen Rosenranken und ein altmodisches Ex Libris sowie Lesezeichenband- das sind alte haptische Genüsse, die dem Lesevergnügen vorausgehen und die neumodische E-Books nicht aufbieten können.

Ein schönes Buch, das uns Einblicke gibt in eine jüdische Flüchtlingsfamilie, die von Deutschland kommend in England ihr Glück sucht. Am leichtesten gelingt es der Tochter, im fremden Land heimisch zu werden, schnell lernt sie, die Landessprache perfekt zu beherrschen, schafft die höhere Schule und schreibt sich schließlich an der Eliteuni Cambridge ein. Ihren jüdischen Namen "Rosenblum" verenglischt sie kurzerhand in "Rose". Ihre Eltern tun sich schwerer. Sarah, die Mutter, hängt gern trauernd ihren Erinnerungen nach und backt und kocht aus dem intuitiven Rezeptbuch ihrer Mutter. Sie will deutsch bleiben und sprechen und hält so gar nichts von den ambitionierten Versuchen ihres Mannes Jack, ein richtiger Engländer zu werden. Mithilfe eines Büchleins der Einwanderungshilfe, das Richtlinien im Intergrationsprozess vorgibt, bemüht sich Jack, jeden Punkt zu erfüllen und notiert akribisch eigene Beobachtungen. Trotzdem bleibt er ein Ausländer, seine neuen englischen"Freunde" wie Sir William sehen in ihm eine kuriose Partybelustigung und hintergehen ihn später, die Dorfgemeinschaft Dorsets verwüsten zunächst seinen neu angelegten Golfplatz. Jacks Kampfgeist und Beharrlichkeit jedoch lassen die Dorfmänner zu Freunden werden und letztenendes gelingt durch diese Freundschaft sowie traditionelles Gebräu und durch den Glauben an alte Mythen und Fabelwesen wie das Wollschwein oder Jack-in-the-Green, was Jack sich erhofft hatte: ein richtiger Engländer zu werden.

Thematisiert wird die Frage, wie Integration in eine fremde Umgebung funktionieren kann. Wie viel muss man von seiner Identität aufgeben? Muss man sich total anpassen? Sarah schafft es mithilfe ihrer Intuition und ihren (Back-)Fähigkeiten, Jack versucht es zunächst mit Aufgabe seiner Identität, findet aber dann zu sich selbst zurück und gewinnt später durch seine Freunde, an Facetten dazu. Elizabeth, die Tochter, vereint Verschiedenes: sie hat sich angepasst, ihre Herkunft zunächst abgestreift, dann aber erhält sie durch das Rezeptbuch der Oma die Verwurzelung mit ihrer familiären und kulturellen Tradition, die ihr bislang fehlte.

Wunderbar geschrieben, die Naturvergleiche sind z.T. etwas dick aufgetragen, aber schön zu lesen, man wird in die Geschichte hineingezogen und kann sich Landschaft sowie Charaktere bestens vorstellen. Die teilweise auch philosophischen Passagen sind wunderbar.

Ein gelungenes Romandebut von Natasha Solomons!