Menschen sind Kurzfrist-Wesen - und Nachhaltigkeit ist nur ein Wort?

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Schon im Vorwort geht Pero Micic in drastischen Worten in seinem Sachbuch auf die Unzulänglichkeiten der Menschen ein, über die Gegenwart hinaus ihr Handeln zu bedenken. Seine These: Der Mensch ist ein Homo Praesens - eine langfristige Vorausschau und die Möglichkeit, das eigene Handeln über einen gewissen Zeithorizont hinaus zu planen, ist dem Mensch fremd. Das augenblickliche Vergnügen und Wohlergehen ist ihm wichtiger als eine gute Zukunft. Das muss zwangsläufig katastrophale Auswirkungen haben, wie auch die Beispiele aus der Vergangenheit im ersten Themenblock "Gestern" zeigen. Im Mittelteil "Heute" gibt uns der Autor zu verstehen, dass der Mensch nicht Opfer der Umstände ist, sondern dass er die Umstände, in denen er lebt und handelt, selbst schafft. Sämtliche Belohnungssysteme, die Menschen jeweils zugunsten von kurzfristigem persönlichen Wohlergehen, zu Bequemlichkeit und Komfort entscheiden lassen, sind genetisch im Gehirn festgelegt. Bei einfachen Sachverhalten mag das funktionieren und mehr oder minder folgenlos sein, aber wenn wir uns in komplexen Systemen bewegen, werden die Konsequenzen des Handelns unkalkulierbar. Alles in allem keine gute Prognose für die Spezies Mensch. Im Teil "Zukunft" erläutert der Autor, dass Menschen gut daran tun, sich konkret mit der Zukunft zu befassen, d. h. ein Szenario zu skizzieren, wo sie persönlich in 10, 20, 30 Jahren sein und was sie dann erreicht haben möchten. Mit diesem Wissen fällt es leichter, zielgerichtete Entscheidungen für einen späteren Zeitraum zu treffen, die mit dem eigenen Zukunftsbild konform sind - ohne dabei in die Kurzfristfalle zu tappen. Menschen entscheiden allerdings nie nur für sich alleine, sie sind auch in eine Gesellschaft eingebettet, in Familie, Vereine, Kulturen und Unternehmen etc., aber Wandel kann nur von jedem Einzelnen ausgehen, wenn das Gemeinwohl im Einklang steht mit dem persönlichen Wohlergehen oder zumindest wenn es nicht damit konkurriert. Im Idealfall entwickelt sich daraus eine Vision, eine Strategie, mit deren Hilfe die Langfrist-Orientierung gelingt.

Der Autor, Dr. Pero Micic, renommierter Wirtschaftswissenschaftler sowie Gründer und Vorstand seines Unternehmens FutureManagementGroup AG, nimmt den Leser auf eine Erkenntnisreise mit, die gespickt ist mit anschaulichen Beispielen aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Der Balanceakt, ein Sachbuch zu verfassen, das sowohl die Psychologie des menschlichen Handelns beleuchtet und zugleich emotional ansprechend daher kommt, gelingt ihm wunderbar. Zwar keine leichte Kost, aber wer gewillt ist, die eigenen Denkmuster näher zu ergründen und in Richtung Zukunftsintelligenz zu justieren, findet mit "Wie wir uns täglich die Zukunft versauen" einen unterhaltsamen aber auch sehr tiefgründigen Ratgeber.