Theoretiker unterwegs

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just-dreams Avatar

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Pero Micic beschreibt in seinem Buch "Wie wir uns täglich die Zukunft versauen" die Auswirkungen der Kurzfristfalle. Was mir bei all den Studien fehlt, ist der Mensch selbst.

Zwar taucht der am Rande immer wieder auf, sei es als Kohlearbeiter, der demnächst per Sozialplan bei der Deutschen Bahn arbeiten darf oder als Mitarbeiter, der möglichst langfristig im Unternehmen bleiben soll, um seine Fachkenntnisse weiterzugeben und damit der Firma zu dauerhaften Erfolg zu verhelfen.

Leider gibt er in seinem Buch kein Erfolgsrezept mit an die Hand wie man das denn macht. Und genau das ist es, was mich an dem Buch stört. Es ist ein Buch, das Studien zusammengepackt hat, um zu belegen, dass einen langfristige Planung mehr Sinn macht- in jeder Hinsicht.

Schön, dass Familienunternehmen auf Dauer besser dastehen, weil sie ihre Mitarbeiter behalten und langfristig planen als Unternehmen.

Schön, dass es Sozialpläne für Mitarbeiter gibt und diese nicht nach Änderung der Ausrichtung des Unternehmens  wie früher die Weber Hunger leiden müssen, weil sich der Arbeitsmarkt ändert.

Wunderbar, dass man nur eben für das Future Me lernen muss langfristig sinnvollere Entscheidungen zu treffen, um sich langfristig vernüftiger zu verhalten. Das soll sich dann vom kleinen einzelnen Ich zur großen Gesellschaft hin hocharbeiten. Muss halt nur jemand anfangen und alle anderen müssen mitmachen.

Theoretisch alles ganz simpel. Genau das ist es- Theorie.

Denn theoretisch kann ich zu meinem Vorgesetzten gehen und daraufhinweisen, dass ein bestimmte Vorgehensweise zu langfristigen Gewinnen führt. Die Antwort, die ich darauf bekomme lautet:" Wichtig ist die Zufriedenheit der Aktionäre." Komme ich zu oft mit Idee, die den Unternehmen langfristig den Erfolg sichern, kann ich mir kurzfristig meine jährlichen Beurteilungen versauen und langfristig einen neuen Job suchen. Also theoretisch ganz nett aber praktisch für mich langfristig kein Zielgedanke.

Nun kann man natürlich argumentieren, dass mein Vorgesetzter halt das Future We noch nicht aufgenommen hat. Hilft aber auch nicht weiter-oder?

Das ganze Buch ist theoretisch absolut logisch aufgebaut. Jede Schlussfolgerung passt genau. Sei es das Beispiel Atomkraftwerke, sei es das Elektroauto, sei es die Finanzjongleure, sei es die zukunftskompetente Politik... alles klar und logisch.

Bei manchen Dingen schießt er meiner Meinung nach über das Ziel hinaus. Luxuswagen oder Klimaschutz? Großer Quatsch, bei den meisten arbeitenden Menschen (die ich kenne) heisst es, ein Auto, das fährt und finanzierbar ist. Neuwagen- ein Traum, ein Tesla mit 400km Reichweite- Utopie. Die Realität, ein Wagen, der fährt, damit man zur Arbeit kommt und sich die Arbeit und das Leben noch leisten kann. Wobei leisten können eigentlich heute bei vielen einfach nur kostendeckend ist. 

Mich hat dieses Buch in vielen Teilen geärgert, weil es halt so theoretisch abstrakt ist und so wenig mit der Realität der Menschen zu tun hat. Die kalte Sachlichkeit der Ausdrucksweise führt dann dazu, dass mir Begrifflichkeiten wie "Sozialplan" oder "Zukunftsmanagement" den Frust aufsteigen lassen.

Es ist, was es ist, eine Sammlung von Studien, um eine These zu bestätigen. Letztere sehe ich im übrigen nach Lesen des Buches durchaus ein. 

Die Theorie des Future Me und den Future We an sich klingt gut und auch die Gedanken, wie man es für sich selbst erreichen könnte. Fragt sich nur,ob die Umgebung da mitmacht.