Das Leben in neue Bahnen lenken

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mel.e Avatar

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"Wir für uns" ist ein vielschichtiger Roman, der für Toleranz wirbt, aber eben auch deutlich aufzeigt, wie schwer es mitunter ist, Akzeptanz zu zeigen und sich von Prägungen zu lösen. Die Autorin nutzt hier zwei unterschiedliche Frauen, die durch Schicksalsschläge gebeutelt werden und sich gegenseitig Halt geben. Letztendlich sind es die Entscheidungen, die zusammenführen und Neuanfänge möglich machen. Die besonnene und angenehme Art des dargestellten Geschehens machen das Lesen leicht und selbst das Cover strahlt eine gewisse Ruhe und Wärme aus, auch wenn nicht alles im Roman beschriebene wirklich für Entspannung sorgt.
Einige Tabuthemen werden angesprochen und stimmen definitiv nachdenklich. Ein Familiendrama lässt sich klären und zeigt auf, das Schweigen nicht die Lösung ist, da immer mehr Fragen und Vermutungen auftreten und die angespannte Mutter - Kind - Beziehung um einiges mehr erschweren. Josie wird vor die Wahl gestellt, ihre Schwangerschaft zu beenden oder sich für das ungeborene Leben zu entscheiden. Aufgrund ihres Alters und der Tatsache Erstgebärende zu sein, ist das Risiko ein Kind mit einem Gendefekt zu gebären um einiges höher. Nicht nur dieses, sondern auch das Verhältnis zu ihrer Mutter und dem Kindsvater stellt sie vor große Herausforderungen. Letztendlich trifft sie für sich die richtigen Entscheidungen, auch wenn sie die Konsequenzen selbst tragen muss, denn Bengt möchte keine weiteren Kinder. Josie entwickelt sich im weiteren Verlauf der Handlung weiter und dieses hat mir sehr zugesagt, denn die ewig andauernde Affäre macht definitiv unglücklich. Jeder Mensch hat es verdient wertgeschätzt zu werden. Für Josie hält das Leben einiges an Umdenken parat und dieses zu verfolgen, war gelungen beschrieben. Es entstehen neue wertvolle Freundschaften und vielleicht auch eine neue Liebe, die sich nicht nur auf den Dienstag beschränkt.
Auch Kathi muss sich ihrer Vergangenheit stellen und erkennen, das ihre Ehe mit Werner nicht nur Höhepunkte hatte, sondern auch Tiefpunkte, die sich nach und nach herausstellen. Das Verhältnis zu ihrem Sohn bekommt Risse und aufgrund von Prägung und Unverständnis der Situation könnte Kathi auch ihn verlieren. Es bleibt auch zum Ende hin schwierig, auch wenn sich einiges verbessert und sie sich der Tatsache stellt, ihr Leben neu zu ordnen.
Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung an einen Roman voller Neuanfänge, hervorgerufen durch Verlust. Manche Verluste sind um einiges leichter zu ertragen als andere, dennoch kann dadurch innere Reife und Heilung entstehen. Beide Frauen geben sich Halt, auch wenn sie durch ihre Unterschiedlichkeit nicht zueinander passend erscheinen, können sie dennoch ganz wunderbar miteinander agieren. Insgesamt ein Buch, welches Mut macht und auch einen gewissen Lerneffekt besitzt bezüglich Toleranz und Annahme. Hinzu kommen diverse Dramen, die ausgesprochen werden müssen, um die Seele von ihrer inneren Not zu befreien. Ich konnte mich sehr gut auf Josie und Kathi einlassen, wenn ich auch nicht immer Verständnis für die jeweilige Situation besaß, gefiel mir die Wandlung der Protagonisten, die sie zum Ende hin fast liebenswert erscheinen lassen.

"Ein gutes Leben hat man, wen man morgens aufsteht und sich auf den Tag freut, auch wenn es ein Scheißtag wird."
Zitat S. 157